Patrick Schwarzenbach, Pfarrer in der Offenen Citykirche St. Jakob
Bevor der dicke Nebel und die ersten Flocken nach Zürich kommen, kann noch einmal kräftig gesammelt und geerntet werden. Vielleicht nicht mehr ganz so handfest wie in alten Zeiten, mit reifen Äpfeln, runden Kürbissen und Unmengen von Baumnüssen, so doch wenigstens symbolisch und in der Erinnerung: die sonnigen Auguststunden, im Wasser oder hinter dem Grill, gut getane Arbeiten, aber auch Ferien, Familie und Feste. All dies sammelt sich nun in den Körben und Hurden der Erinnerung.
Ein volles Jahr! Manchmal mit Dankbarkeit verbunden – manchmal aber auch nicht. Denn oft geht die Zeit so schnell, dass man kaum zum Freuen kommt. Oder es ist nicht viel da, wofür es sich zu danken lohnt. Was aber soll man tun, wenns einem gar nicht ums Danken ist, weil das Jahr zwar voll war, aber gar nicht so gfreut? Dann soll man – und dies ist nun doch etwas unerwartet – trotzdem danken … so sagt es jedenfalls der Benediktinermönch David Steindl-Rast.
Denn es sei eben ein Missverständnis zu meinen, dass die Freude, die wir erleben, uns dankbar mache. Nein, es sei genau umgekehrt: Es sei die bewusste Dankbarkeit, die in uns erst Freude entstehen lasse. Darum solle man sich darin üben, dankbar zu sein: jeden Tag und für die banalsten Dinge. Für das Dach über dem Kopf, die warme Mahlzeit, nahe Menschen und Tiere, Stunden in Sicherheit und Frieden, ja ganz basal: für die eigene Lebendigkeit!
Wenn wir diese alltäglichen Dinge erst wahrnähmen, so verheisst er uns, und sähen, dass sie alles andere als selbstverständlich sind, erst dann entstünde echte Freude. Ja, Steindl-Rast geht sogar noch weiter: Wer am Morgen die Dankbarkeit übe, sei am Abend bereits froher, so behauptet er es vollmundig.
Ob es stimmt? Probieren wir es aus. Das Leben ist kurz. Auch daran erinnert uns der neblige Herbst.
Patrick Schwarzenbach, Pfarrer in der Offenen Citykirche St. Jakob