Andreas Honegger
Überall wird gebaut, es herrscht Wohnungsmangel. Wo kleine Einfamilienhäuser in alten Gärten stehen, ragen nun hohe Visiere in die Luft: Das unternutzte Grundstück wird mit einem Block überbaut. Pflanzen und Bäume haben in dieser Situation schlechte Karten. Oft werden die Grundstücke bis an ihre Grenzen ausgehoben: Untergeschosse werden hier den Raum einnehmen und der Boden wird mit Platten belegt, so dass höchstens noch hie und da ein Trog mit Pflanzen für etwas Vegetation sorgen wird. Die Bagger schieben alte verwitterte Kalksteine vor sich her, die einst Wegeinfassungen oder ein kleines Alpinum gebildet haben. Zwei, drei Tannen und ein paar alte Obstbäume müssen weichen.
Immer wieder sind solche Szenen zu beobachten. Vor einem Jahrhundert hat man – nicht gerade in der Innenstadt, aber in den Aussenquartieren – viel Grünraum um die Häuser geplant. Selbst Baugenossenschaften haben sich bemüht, den Mietern Gärten anzubieten und Spielplätze für die Kinder. Und auch bei eher bescheidenen Arbeiterhäusern rund um Fabriken hat man darauf geachtet, dass die Mieter über einen kleinen Garten verfügten, um günstig zu Gemüse, Obst und Beeren zu kommen.
Heute wird verdichtet gebaut, das heisst, man nutzt die Grundfläche primär für möglichst viel Wohnraum und verzichtet auf Gärten. Natürlich bleiben hie und da noch Grünflächen: Ein Streifen Rasen und
pflegeleichte «Begrünung», deren Unterhalt niemand machen will, und der entsprechend billig zu stehen kommt und dann auch entsprechend aussieht.
Je mehr alte Häuser und alte Gärten verschwinden, desto weniger kann man das einst formulierte Ideal der Gartenstadt verwirklichen, das vorsah, das jedem Mieter auch ein Stück Garten zur Pflege überlassen wurde. Selbst die Schrebergärten müssen heute oft kommunalen Aufgaben weichen. Und dann jammern die Behörden, die Stadt werde im Sommer zu heiss…
Andreas Honegger, Journalist & Alt-Kantonsrat