Sibylle Ambs. Bild. SA
Leerkündigungen, Totalsanierungen, Eigenbedarf … zurzeit ist niemandsicher vor einer Hiobsbotschaft und einem Zwangsumzug, könnte man meinen, wenn man die Zeitungen aufschlägt. Die Lage ist angespannt. Das habe ich unlängst am eigenen Leib erfahren. Und neben dem ganzen Packen-, Entsorgen-, Verkaufen-und-Verschenken-Wahnsinn, dem Besichtigungs-und-Abwarten-Stress, den vielen kleinen Abschiede, die es zu nehmen gilt, auch etwas über grössere Abschiede gelernt: Umziehen ist so viel mehr, als sich von den geliebten, gewohnten vier Wänden mit den unzählige Erinnerungen verabschieden zu müssen. Viel mehr, als die Nachbarn, die zu Freunden geworden sind, zurückzulassen.
Die Wahrheit ist, man lässt einen ganzen Mikrokosmos hinter sich. Den Zeitungsmann, dem wir zu Weihnachten Schoggi in den Milchkasten gelegt haben. Das ältere Pärchen, das drei Mal am Tag vor dem Küchen-fenster vorbeispazierte und dem man vor drei Jahren angefangen hat, zuzuwinken. Die Beiz an der Ecke, in der man zwar nie war, aber die einem mit dem Rausstellen der Blumenkübel immer signalisiert hat, dass der Frühling vor der Türe steht. Die rothaarige Kassiererin im Coop, die immer so nett und speditiv war. Sie alle gehörten zu meinem kleinen Quartierkosmos und sie alle gaben mir ein Stück Sicherheit. Waren Teil meiner kleinen Welt. Eine Art Alltag, den es irgendwie wieder aufzubauen gilt jetzt.
Das ist ein bisschen «gfürchig», aber auch spannend und neu. Obwohl nur in einen neuen Kreis, habe ich aktuell das Gefühl, in eine neue Stadt gezogen zu sein. Und wie gross ist meine Freude, als mich letzten Samstag der Bäcker, bei dem wir alle fünf Sonntage, die wir schon dort wohnen, einen Kafi geholt haben, mich mit einem persönlichen Lächeln des Wiedererkennens begrüsst hat – und mir damit das Gefühlt gab, doch, jetzt bin ich ein bisschen mehr angekommen und ein kleiner Teil des neuen Quartierkosmos geworden.
Sibylle Ambs, selbständige Texterin und Journalistin.