Begegnung statt Besetzung
Auf dem ehemaligen Koch-Areal entsteht ein neuer Stadtteil – mittendrin der am letzten Wochenende eröffnete Koch-Park. Er trifft einen Nerv der Stadtplanung. - Von Jan Strobel
Stadtnatur verschmilzt mit Industriegeschichte im neuen Koch-Park. Die ehemaligen Gleise sind jetzt Parkpromenaden. Bild: Jan Strobel
Auf dem ehemaligen Koch-Areal entsteht ein neuer Stadtteil – mittendrin der am letzten Wochenende eröffnete Koch-Park. Er trifft einen Nerv der Stadtplanung. - Von Jan Strobel
Silvan Durscher, Landschaftsarchitekt und Projektleiter bei Grün Stadt Zürich, steht in der Sommerhitze und blickt in die grüne Oase, die sich vor ihm ausbreitet. «Wenn man einen Park eröffnet, kommt man normalerweise immer am Schluss an die Reihe», sagt er. «Heute sind wir für einmal die ersten.» Hinter ihm ragen die Rohbauten des künftigen Koch-Quartiers in die Höhe. Auf dem Areal an der Grenze zwischen den Stadtquartieren Albisrieden und Altstetten realisieren die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und die Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1 einen komplett neuen Stadtteil. 900 Menschen sollen hier ab 2026 leben. Das Koch-Quartier ist ein der vielen neuen Stadträume, die im Kreis 9 aus dem Boden wachsen. In Altstetten und Albisrieden werden gerade ganze Quartierstrukturen umgepflügt und umgebaggert.
Der Koch-Park von Grün Stadt Zürich, der am Freitag in Anwesenheit von Stadträtin Simone Brander und Stadtrat Daniel Leupi offiziell der Öffentlichkeit übergeben wurde, stellt nun das grün wuchernde und spielerische Element dieser Umwälzung dar – und ist gleichzeitig auch eine Referenz an die Geschichte dieses Orts. Tatsächlich ist den Winterthurer Landschaftsarchitekten Krebs und Herde mit diesem Park ein Kunststück des urbanen Freiraums gelungen, das historische Elemente in den Grünraum integriert. Ausgediente Gleise sind jetzt Parkpromenaden, alte Betonplatten von ehemaligen Parkplätzen und Mauerwerk der abgerissenen Gebäude sind zu Sitzgelegenheiten und Stützmäuerchen umfunktioniert worden. Hier blüht ein «Pionierwäldli» mit einheimischen Pflanzen, dort ragt ein kleiner Trompetenbaum und ein Khakibaum aus der wilden Parklandschaft. Steinerne Sickertöpfe nehmen das Regenwasser auf und lassen es «schwitzend» in den Boden versickern. Wasserspiele und Wasserpumpen laden Kinder zum Spielen und «sändelen» ein. Mit seinen 12 000 Quadratmetern ist der Koch-Park zwar nicht gross, aber umso vielfältiger. Nichts erinnert in dieser neuen, bukolischen Stadtnaturszenerie an die Zeiten, als sich auf dem Koch-Areal während zehn Jahren die längste Hausbesetzung Zürichs abgespielt hatte.
Ikonisches Herzstück des Parks bildet die ehemalige, denkmalgeschützte Kohlenlagerhalle als identitässtriftendes Zentrum des künftigen Koch-Quartiers. Die Halle als Zeuge der Industriegeschichte im Kreis 9 soll als kultureller und sozialer Anker dienen, als Treffpunkt für das Quartier. Seine Nutzung soll bewusst offen gelassen, der Kreativität Raum gegeben werden. Der Schriftzug «Kohlen Koch Heizoel» prangt weiter auf dem Dach als rot in die Nacht leuchtendes Echo aus der Zeit, als sich hier einst der Sitz der Firma Koch Wärme AG für Brenn- und Treibstoffe befand.
Gefeiert wurde die Eröffnung des neuen Parks am letzten Wochenende am «Chreis9Fäscht», organisiert von den vier Quartiervereinen Albisrieden, Altstetten, Triemli und Grünau. Über drei Tage hinweg zog der Anlass die Bevölkerung aufs Koch-Areal. Der Zirkus Chnopf und eine Rollschuhdisco bespielten die Bühne ebenso wie verschiedene Bands, DJs und Vereinschöre. Zu den Klängen des Sechseläutenmarsches wurde ein «Quartierböögg» en miniature verbrannt. Die Hoffnung der Landschaftsarchitekten und von Grün Stadt Zürich schien sich an diesem Wochenende tatsächlich zu bewahrheiten. Die Anlagen des Koch-Parks wurden so aufgenommen, wie es sich die Gestalterinnen und Gestalter vorgestellt hatten. Plantschende Kinder tobten sich an den Brunnen aus; Pärchen entspannten sich im Schatten der Bäume auf den Beton- und Holzelementen.
Ein «geisterhaftes» Echo aus der Vergangenheit des Areals meldete sich dann aber doch noch einmal zurück. Am Freitagabend störten Autonome das Quartierfest. Mutmasslich ehemalige Besetzer des Koch-Areals hängten in der Halle Transparente auf und verstreuten Flyer: «Der Spuk ist nicht vorbei. Alles wird besetzt.» Bei der Musikanlage seien überdies Störsender angebracht worden, wie «20 Minuten» berichtete. Die Stadtpolizei Zürich bestätigte später einen entsprechenden Einsatz.
Dem Bau des Koch-Parks mit einem Objektkredit von 22,8 Millionen Franken hatte die Stadtzürcher Stimmbevölkerung 2022 zugestimmt. Bei der Gestaltung des Parks bezogen die Landschaftsarchitekten die Wünsche der Quartierbevölkerung mit ein.
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