Daniel Leupi
Der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr hat in einem jüngst erschienenen Buch Einblick in die Arbeit des Bundesrates gewährt. Ein Zeitungsinterview dazu war – wie stets bei Thurnherr – prägnant und lesenswert.
«Der Bundesrat wäre nicht besser, wenn er aus sieben Nobelpreisträgern bestünde», stellt er fest (und hat wohl Frauen mitgemeint) und glaubt, dass er selber kein guter Bundesrat geworden wäre: «Zu oft hätte ich an meinen eigenen Überzeugungen gezweifelt. Starke Bundesräte geben früh und klar die Richtung vor.» Im Interview zählt er viele weitere Anforderungen auf. Zum Beispiel, dass Bundesratsmitglieder viele Hände schütteln müssen: «Wenn jemand nicht über ein Immunsystem verfügt wie ein Pferd, dann hat er es nicht leicht im Bundesrat.» Sprich: man wäre häufig erkältet oder krank. Je weiter ich las, desto mehr dachte ich, dass das für alle Exekutivämter gilt, auch für den Stadtrat: «Man muss auch schnell entscheiden und eine Verwaltung führen können – was sich alle zutrauen, aber nicht alle meistern.» oder «Man muss gerne, gut und mit allen kommunizieren.» oder «Man muss unheimlich viel lesen können.» Walter Thurnherr betonte auch: «Man muss kollegial sein, das heisst insbesondere politisch verlieren können.» oder «… ein Gespür für die breite Akzeptanz von Massnahmen und deshalb eine Verbindung zum Durchschnittsbürger haben.»
Für mich war die Lektüre Anstoss für eine kritische Selbstbeurteilung. Für Sie liefert sie vielleicht Hinweise, wenn Sie im März über die neue Zusammensetzung der Stadtregierung befinden.
PS.: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Regierungsrat und Bundesrat Sans-Papiers regularisieren sollten.
Stadtrat Daniel Leupi, Finanzdepartement