So schmeckt Tradition
Esskultur: Im Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz, auf dessen Grundlage gerade eine umfangreiche neue Enzyklopädie erschienen ist, finden sich auch Stadtzürcher Original-Delikatessen. - Von Jan Strobel
Typisch Zürcherisch: Die Schüblig gehört zu den traditionellen Spezialitäten. Bild: Echtzeit Verlag
Esskultur: Im Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz, auf dessen Grundlage gerade eine umfangreiche neue Enzyklopädie erschienen ist, finden sich auch Stadtzürcher Original-Delikatessen. - Von Jan Strobel
Es muss irgendwann in den 1950er-Jahren gewesen sein, als die Gebrüder Niedermann, Grossmetzger an der Augustinergasse 15 am Münzplatz, mit einer deftigen kulinarischen Erfindung an die Stadtzürcher Öffentlichkeit traten. In ihrem Traditionsbetrieb, damals eine Institution in der Innenstadt, boten die Niedermanns ein neues Produkt in ihren Auslagen an: eine backsteinrote Wurst, hergestellt aus Schweinefleisch, Rindfleisch, Speck, Eiswasser, Nitritpökelsalz und einer Gewürzmischung aus Pfeffer, Koriander, Muskat, Zimt und Paprika. Im Lager der Därme lagen die «zarten Wurstkleider» zur Füllung bereit. Das neu entwickelte Produkt erhielt den Namen «Augustiner-Schüblig». Die Brühwurst, am besten mit einem Kartoffelsalat oder Brot serviert, avancierte zur lokalen Stadtzürcher Spezialität - und fand auch Eingang in das Inventar «Kulinarisches Erbe der Schweiz». Dieses einzigartige Inventar sammelt das Wissen über traditionelle Nahrungsmittel in der Schweiz, die noch heute konsumiert und produziert werden. Die Augustiner-Schüblig, zum Beispiel, wird mittlerweile in einer Grossmetzgerei im Limmattal hergestellt und an ausgewählte Zürcher Metzgereien und Gastronomiebetriebe ausgeliefert.
Begleitend zu diesem online abrufbaren Inventar ist im Dezember im Echtzeit-Verlag die umfangreiche Enzyklopädie «Das kulinarische Erbe der Schweiz. Ein Panoptikum des Ess- und Trinkbaren» von Kulinarik-Journalist und Autor Paul Imhof in einer ergänzten, überarbeiteten und vervollständigten Ausgabe erschienen. Dieses einmalige Panorama der Schweizer Kulinarik-Landschaft vereint neu alle bisherigen fünf Bände und ist um über 20 Produkte gewachsen. Paul Imhof wirkte auch im Auftrag des Bundes und der Kantone an der Schaffung des Online-Inventars mit.
Für Zürich führt das Inventar auch eine besonders süsse und farbenfrohe Delikatesse auf: Die Züri Läckerli. Anders als zum Beispiel die bekannte Basler Variante bilden nicht Honig und Mehl die Grundzutaten für den Teig, sondern eine Marzipanmasse aus Mandeln und Eiweiss. Hergestellt werden die Züri Läckerli in verschiedenen Geschmacksrichtungen, von Orange, Aprikose und Kakao bis zu Haselnuss und Zimt. Die Wurzeln dieser Ur-Zürcherischen Spezialität sind nicht eindeutig. Ein frühes Zürcher Leckerli-Rezept stammt gemäss Inventar aus dem Jahr 1679, allerdings waren diese Leckerli noch keine Marzipangebäcke. Im Landesmuseum findet sich zudem ein Leckerlimodel von 1745 des Zürcher Zuckerbäckers Jakob Reutlinger. Der erste gesicherte Beleg eines Zürcher Marzipan-Leckerlis stammt aus einem Kochbuch von 1912. Im Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz finden sich aus dem Kanton Zürich ebenfalls die Tirggel und Offleten, die Bassersdorfer Schüblig, das Zürcher Brot oder die Geduldszeltli.
Weitere Informationen:
Paul Imhof: «Das kulinarische Erbe der Schweiz. Ein Panoptikum des Ess- und Trinkbaren»
Echtzeit Verlag, 2024
ISBN: 978-3-906807-37-9
Link zum Online-Inventar:
www.patrimoineculinaire.ch
Lade Fotos..