Dörfli gewährt Einblicke
Der «Tag der offenen Bar- und Club Tür» am Samstag rückt das Niederdorf in den Fokus. Auch wenn als Hotspot abgelöst, ist das Dörfli noch immer bedeutend für die hiesige Ausgangsszene. - Von Christian Saggese
Der Heaven Club wird am Samstag zum Familienclub. Bild: Heaven
Der «Tag der offenen Bar- und Club Tür» am Samstag rückt das Niederdorf in den Fokus. Auch wenn als Hotspot abgelöst, ist das Dörfli noch immer bedeutend für die hiesige Ausgangsszene. - Von Christian Saggese
Das Niederdorf, einst das pulsierende Herz der Zürcher Nacht, befindet sich in einem ständigen Wandel. Immer wieder ist von Schliessungen und Lärmdiskussionen zu lesen, es gibt aber auch spannende Neuerungen. «Mit dem Kweer, Rank, dem Cha Cha Cha und der Ora Bar wurde das dortige Ausgangsleben in den letzten Jahren um interessante neue Orte bereichert», sagt Alexander Bücheli, Mediensprecher der Zürcher Bar & Club Kommission (BCKZ). Mit ein Grund, dass das «Dörfli» in diesem Jahr im Zentrum des traditionellen «Tag der offenen Bar- und Club Tür» steht. Am kommenden Samstag, 26. Oktober, laden allerdings nicht nur diese «Neulinge», sondern auch die etablierten Ausgehlokale zu einem Blick hinter die Kulissen ein. Von DJ-Workshops über Cocktail-Schulungen bis hin zur Weindegustation und sogar mit einem Familienkonzert und Club wird für alle etwas geboten (siehe Box).
Das Niederdorf hat schon länger eine grosse Bedeutung für die hiesige Club- und Barlandschaft. Von den über 1000 Wirtschaften, die es um 1900 in der Stadt Zürich gab, lagen die meisten in diesem Viertel. «Der Kreis und die Dada-Bewegung mit ihren Bällen führten diese Tradition des nächtlichen Dörfli weiter. Dann kam der Schachersepp, der Urvater des Ländlers», weiss Alexander Bücheli. Jahrzehnte später stand das Niederdorf für packende Livekonzerte, von Rock im Beatclub bis hin zum gepflegten Jazz in der Casa Bar. Das Dörf-li lebte, bebte und wurde in den80er und 90er Jahren zu einer Art nächtlichem Laufsteg. Alexander Bücheli erinnert sich: «Welche Ü40-Zürcherin und welcher Ü40-Zürcher ist damals nicht in der Nacht durchs Dörfli geschlendert, um zu checken, wer so unterwegs ist, und um sich mit Freunden zu treffen?»
Auch wenn heutzutage die Langstrasse als Hotspot für Partygänger gilt, hat das Niederdorf nicht ausgedient. «Eine Stadt profitiert davon, wenn die Kultur der Nacht an verschiedenen Orten stattfindet», meint Bücheli. «Der Kreis 4 hat zwar das Niederdorf als nächtlichen Laufsteg abgelöst, aber die spannenden Neueröffnungen zeigen, dass das Dörfli weiterhin Potenzial hat, auch nachts lebendig zu sein.» Dennoch sei die Dynamik des Viertels eine Herausforderung. «Die Gentrifizierung setzt der Gastronomie zu, wie jüngst die Schliessung der traditionsreichen Öpfelkammer und der Splendid Pianobar zeigt.»
Das Gleichgewicht zwischen lebendigem Nachtleben und der Lebensqualität der Anwohner zu halten, werde in Zukunft immer wichtiger werden. «Niemand wünscht sich ein totes Dörfli», betont Bücheli. «Und wo gelebt wird, sind auch Emissionen zu erwarten.» Die engen Gassen des Viertels mögen auf den ersten Blick problematisch erscheinen, doch Bücheli sieht auch Chancen: «Lärmdämmende Massnahmen und kreative Lösungen wie Klangräume im öffentlichen Raum könnten die Situation für die Anwohnenden deutlich verbessern.» Letztlich dürfe diese Verantwortung aber nicht ständig einzig auf die Bars und Clubs geschoben werden. Der Mediensprecher der BCKZ ist überzeugt: «Das Problem sind nicht die Gäste in einem Lokal, sondern diejenigen Menschen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten und, beliefert durch den 24-Stunden-Shop um die Ecke, ihre Privatparty feiern.»
Der «Tag der offenen Bar- und Club Tür» ermöglicht es nun, nicht nur in die Lokale zu blicken, sondern die «Nachteulen» der Stadt persönlich kennenzulernen und somit auch das Engagement, das das kulturelle Angebot von Zürich am Leben hält.
Nach vier Jahren Pause lädt die Bar & Club Kommission Zürich am Samstag, 26. Oktober, von 15 bis 18 Uhr zum neunten Tag der offenen Bar- und Club Tür im Niederdorf ein. Ein Auszug des Programms: Familienclub im Heaven Club, DJ-Kurs in der Regenbogen-Bar, Cocktailschulung in der Ora Bar, Weindegustation in der Züri Bar, Sushi-Crashkurs in der Barfüsser Sushi Bar & Lounge, Familienkonzert im Rank, Karaoke im Kweer, Heavy-Metal-Doku im Ebrietas, Mocktail-Kurs in der Cranberry Bar, Führung durch die Ausstellung «Lee Scratch Perry» im Cabaret Voltaire und vieles mehr. Dazu Stadtrundgänge, unter anderem über die Geschichte der Lesben im Dörfli, sowie über potenzielle Lärmschutzmassnahmen in den Gassen. Abschluss um 18.30 Uhr mit einer Podiumsdiskussion mit Zürcher Gemeinderäten im Heaven Club über die spezifische Förderung der Nachtkultur.
Detailliertes Programm: www.bckzh.ch
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