Durch die Stadt schlängeln
STADTTIERE Zum chinesischen Jahr der Schlange rücken auch auf die heimischen Arten in den Fokus. Sogar mitten in Zürich leben – zum Schrecken mancher Menschen – Nattern. - Von Isabella Seemann
Schlingnattern breiten sich in Zürich vermehrt entlang von Bahnarealen aus. Bild: PD
STADTTIERE Zum chinesischen Jahr der Schlange rücken auch auf die heimischen Arten in den Fokus. Sogar mitten in Zürich leben – zum Schrecken mancher Menschen – Nattern. - Von Isabella Seemann
Ob man sie fürchtet oder bewundert – 2025 stehen Schlangen im Rampenlicht. Nach dem chinesischen Lunisolar-Kalender begann am 29. Januar das Jahr der Schlange. Wer dem chinesischen Horoskop Glauben schenkt, sieht in ihr eine Botin des Wandels – eine, die Glück verheisst, wenn man es zu ergreifen weiss. Und wer das Privileg hat, in diesem Jahr eine Schlange im Garten zu entdecken, darf sich vielleicht sogar als Auserwählter des Schicksals betrachten.
Acht Arten leben in der Schweiz, zwei davon sind giftig: die Aspisviper sowie die Kreuzotter. Allerdings ist ihr Biss nicht tödlich. Sie bevorzugen sonnige Hanglagen im Jura und in den Alpen. Doch auch Zürich beherbergt – für viele eher überraschend – Schlangen. Drei Arten, die der Familie der Nattern gehören und ungiftig sind, haben sich in der Stadt angesiedelt.
Die Schlingnatter ist eine Meisterin der Tarnung. Ihre liebste Beschäftigung: Morgens auf warmen Steinen sünnele – und nachmittags auf Eidechsenjagd gehen. Deshalb fühlt sie sich besonders angezogen von Bahnarealen, wo Mauereidechsen zahlreich vorkommen. Seit einigen Jahren ist sie im SBB-Areal in Altstetten und in der Nähe der Europabrücke nachgewiesen. Ihren Namen verdankt sie ihrer einzigartigen Jagdmethode: Statt zu beissen, schlingt sie sich um ihre Beute und erdrückt sie – wie eine kleine, elegante Verwandte der Boa. Wer eine Schlingnatter sieht, hat Glück, denn sie ist scheu und zieht sich lieber zurück, als sich auf einen Streit mit Menschen einzulassen.
Die Barrenringelnatter hingegen ist eine passionierte Schwimmerin. Sie hält sich bevorzugt in der Nähe von Gewässern auf und jagt Frösche, Kröten und Molche. Mit ihrer olivgrünen Färbung und den charakteristischen Nackenflecken wirkt sie fast wie eine Wasserschlange aus antiken Mythen. Ihr ausgeklügelter Trick bei Gefahr: Sie stellt sich tot, dreht sich auf den Rücken und sondert einen beissenden Geruch ab – eine eindrucksvolle Täuschungstaktik, um Fressfeinde abzuschrecken. «Friss mich nicht, ich bin schon verdorben.» In Zürich kann man sie im Wehrenbachgebiet, am Katzensee, am Büsisee, im Sihltal und rund um den Zoo entdecken. Mitunter sucht sie auch in privaten Gartenweihern nach Nahrung oder legt ihre Eier in Komposthaufen ab.
Eine weitere Wassernatter sorgt in Zürich seit einigen Jahren für Aufsehen, nicht nur wegen ihrer schicken Musterung: die Würfelnatter. Kaum beginnt die Badi-saison, wacht sie aus der Winterruhe auf und schlängelt im Zürichsee und an seinen Ufern umher – zum Schrecken der Schwimmer. Gelegentlich kriechen die wechselwarmen Tiere nach ihren Tauchgängen sogar auf stillliegende Boote, so im Hafen Enge, und rollen sich zusammen, um sich aufzuwärmen. Gemäss der aktuellen Ausgabe des Naturführers «Neue Stadtfauna», in der 700 Tierarten der Stadt Zürich vorgestellt werden, war die Würfelnatter ursprünglich nur auf der Alpensüdseite heimisch, wurde jedoch nördlich der Alpen an verschiedenen Seen ausgesetzt, so auch am Zürichsee bei Rapperswil. Von dort aus hat sie sich in Gebieten ausgebreitet, die bislang nicht von ihr besiedelt waren, und konnte sich etablieren – sogar im Seebecken der Stadt Zürich. Die Würfelnatter, eine reine Fischfresserin, gleitet elegant durchs Wasser, taucht geschickt nach Beute und kann bis zu einer Stunde unter der Oberfläche verweilen – eine wahre Meisterin der aquatischen Jagd.
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