Auch Brillenbären brauchen Mut
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues und Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um einen überaus vorsichtigen Brillenbär. - Von Severin Dressen
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues und Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um einen überaus vorsichtigen Brillenbär. - Von Severin Dressen
Nicht nur im Reich der Menschen, auch im Reich der Tiere gibt es ganz unterschiedliche Charaktere. Die einen sind wagemutig und unerschrocken, andere eher ausgeglichen und gemütlich und wieder andere vorsichtig und per se skeptisch. Zu Letzteren gehört auch der im vergangenen Herbst neu in den Zoo Zürich gezogene Brillenbär Raymi. Zumindest wenn es um Brücken geht. Ich hatte an dieser Stelle schon einmal darüber berichtet. Nun also Teil 2 mit – Achtung, Spoiler – Erfolg!
Mit seinen knapp drei Jahren ist Raymi noch ein Jungspund und durchaus temperamentvoll. Wenn es allerdings darum geht, eine der vier Brücken in seinem neuen Lebensraum zu überqueren, dann wird aus dem Draufgänger plötzlich ein ziemlich grosser Angsthase. Das Überqueren der Brücken ist jedoch zwingend notwendig, da diese die verschiedenen Bereiche des Lebensraums miteinander verbinden. In den letzten Wochen hat das Tierpflege-Team daher sehr viel Zeit darauf verwendet, Raymi behutsam mittels Trainings davon zu überzeugen, dass der Gang über die Brücke gefahrlos möglich ist. Höhenangst hält Raymi übrigens nicht davon ab. Brillenbären sind sehr gute Kletterer. Dazu gehört auch Raymi, der bereits zahlreiche Bäume erklommen hat. Es ist eher das Unbekannte, das ihn vorsichtig werden lässt.
Die beiden Brillenbärenweibchen, die sich den Lebensraum mit Raymi teilen, hatten die Brückenüberquerung bereits als Jungtiere von ihren Müttern gelernt. Dieser frühe Lerneffekt fehlt Raymi. Entscheidendes Mittel im Tiertraining sind Leckerlis. Im Fall von Raymi ist dies vor allem Honig! Ja, Bären lieben tatsächlich Honig. Ganz zu Beginn des Trainings war der Honig mit weiteren Leckereien an verschiedenen Stellen auf der ganzen Brücke verteilt. Raymis Taktik im Oktober, ganz zu Beginn des Trainings: Einfach mega lang machen und vorsichtig auf dem Bauch liegend vorwärtsschieben. Die Hintertatzen dabei immer auf dem Boden lassen. Eine in Teilen durchaus erfolgreiche Strategie, aber nicht ganz das, was sich das Team erhofft hatte.
Es folgten weitere Versuche und Trainingseinheiten, auch mit einer extra breiten Brücke. Raymi blieb bei seiner Taktik. Flach auf den Bauch legen und vorwärts schieben. Anfang Januar hatte er diese Vorgehensweise weitestgehend perfektioniert und räumte so die Brücke meistens leer – zwar nicht mehr zwingend mit den Hintertatzen am Boden, aber trotzdem, ohne die Brücke zu überqueren. Doch Beharrlichkeit zahlt sich bekanntlich aus. Das gilt auch für Brillenbären. Inzwischen haben wir März und tatsächlich stellt der Gang über die Brücke für Raymi kein Problem mehr dar. Ende Februar hatte er all seinen Mut zusammengenommen und war nach kurzem Zögern einfach ganz schnell auf die andere Seite gesprintet – ohne das etwas passiert ist. Mittlerweile ist er von der Brückenkonstruktion überzeugt. Raymis Entwicklung lässt sich übrigens auch auf unserem Instagram-Kanal verfolgen. Dort gibt es Videos seines Trainings. Schmunzeln erlaubt.
Weitere Infos: www.zoo.ch
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