Langohren mit Anspruch
Sie sind flauschig und herzig. Aber eines sind Kaninchen sicherlich nicht: Kuscheltiere fürs Kinderzimmer. Tipps für eine artgerechte Haltung. - Von Isabella Seemann
Nicht der Osterhase, sondern ein Kaninchen mit Ostereiern. Bild: PD
Sie sind flauschig und herzig. Aber eines sind Kaninchen sicherlich nicht: Kuscheltiere fürs Kinderzimmer. Tipps für eine artgerechte Haltung. - Von Isabella Seemann
Zu Ostern sind sie allgegenwärtig: Langohren aus Schoggi, Plüsch oder leibhaftig in Gehegen von Zoohandlungen. Gerade in Familien mit Kindern keimt rund um das Fest nicht selten der Wunsch auf, ein «Häsli» ins Osternest zu legen – handlich, herzig, unkompliziert. Doch dieser Eindruck täuscht.
Zunächst zur Klärung eines verbreiteten Irrtums: Der sogenannte «Osterhase» ist ein Feldhase – kein Kaninchen. Umgangssprachlich werden die Begriffe oft gleichbedeutend verwendet. Zwar gehören beide zur Ordnung der Hasenartigen, doch sie unterscheiden sich deutlich. Feldhasen sind Wildtiere, Einzelgänger, bei Geburt sehend, behaart und bereit fürs Leben oberhalb der Erde. Ihre Fruchtbarkeit machte sie zum Symbol für Ostern. Kaninchen hingegen kommen nackt und blind zur Welt, leben in Gruppen, graben weitverzweigte Höhlensysteme und sind auf sozialen Kontakt angewiesen. Wer ein «Häsli» anschafft, bekommt in Wahrheit ein Kaninchen – und mit ihm eine langjährige Verpflichtung.
Ein Kaninchen lebt – bei guter Pflege – acht bis zehn Jahre. Diese Zeitspanne sollte jeder bedenken, der mit dem Gedanken spielt, eines zu halten. Oft verlieren Kinder rasch das Interesse, und die Tiere landen im Tierheim oder fristen ein isoliertes Dasein in einem zu kleinen Käfig. Selbst ein «Zwerghäsli» hat grosse Ansprüche. Wer ein Kaninchen aufnehmen möchte, sollte sich gründlich über Ernährung, Unterbringung, Beschäftigung und Sozialverhalten informieren.
Kaninchen sind keine Haustiere, die man «nebenbei» hält. Sie brauchen mindestens ein Partnertier – Einzelhaltung ist nicht artgerecht und laut Tierschutzgesetz unzulässig. Ein Tier allein leidet, oft ohne dass es sofort auffällt. Auch die Gehegegrösse wird unterschätzt. In der Wohnung lassen sich Kaninchen halten – jedoch keinesfalls im Käfig. Diese sind grundsätzlich zu klein. Ein ganzes Zimmer oder ein gesicherter Wohnbereich mit kaninchengerechter «Möblierung» ist unerlässlich. Zwei Kaninchen benötigen mindestens sechs Quadratmeter dauerhaft zugängliche Fläche, idealerweise mit zusätzlichem Auslauf. Hauskaninchen unterscheiden sich da nicht von Wildkaninchen: Sie möchten buddeln, springen, Haken schlagen, sich ausstrecken – all das trägt zu ihrem Wohlbefinden bei.
Auch der Auslauf sollte durchdacht und reizvoll gestaltet sein: mit Versteckmöglichkeiten, erhöhten Ebenen, Buddelkisten und schattigen Plätzen. Hitze vertragen die Tiere deutlich schlechter als Kälte. Besonders geeignet ist die ganzjährige Aussenhaltung – sofern das Gehege wetterfest, raubtier- sowie ausbruchssicher und abwechslungsreich konzipiert ist. Röhren, Erdhügel, hängendes Futter, frische Zweige, verstecktes Gemüse oder einfache Intelligenzspiele fördern die Aktivität. Je mehr Artgenossen vorhanden sind, desto lebendiger wird das Sozialleben.
Entgegen landläufiger Vorstellungen sind Kaninchen keine Schmusetiere, sondern Beobachtungstiere. Hochgehoben zu werden, empfinden sie oft als bedrohlich, was evolutionsbiologisch leicht zu erklären ist: Ein Greifvogel würde sie auf ähnliche Weise packen. Sie sollten jederzeit die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen – der Kontakt darf nie erzwungen werden. Deshalb eignen sie sich nicht für Haushalte mit kleinen Kindern – und nur dann für grössere, wenn Eltern bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und einen respektvollen Umgang vorzuleben.
Futter bedeutet mehr als Rüebli und Körner. Kaninchen brauchen in erster Linie frisches Heu, ergänzt durch Gemüse, Gräser und Kräuter. Trockenfutter aus dem Handel ist oft ungeeignet und kann gesundheitliche Probleme verursachen. Auch tierärztliche Versorgung gehört zur Verantwortung.
Wer das Osterfest mit einem «Häsli»-Erlebnis für Kinder verbinden möchte, findet in einigen Gemeinschaftszentren oder in Einrichtungen wie der Rumpelhalde in Zürich-Affoltern eine Alternative zum Haustierkauf. Dort leben Kaninchen in artgerechter Umgebung – Kinder können ihr Verhalten beobachten, ihre Körpersprache lesen und erkennen, dass Fürsorge mehr verlangt als gute Absicht. So wird es für beide Seiten zu einer erfüllenden Erfahrung – und nicht bloss zu einer episodischen Osteridee.
Weitere Informationen:
Passt ein Kaninchen zu Ihrem Lebensstil? Tierschutzorganisationen informieren über artgerechte Haltung:www.zuerchertierschutz.ch
Die «30-Tage-Kleintier-Challenge» vermittelt ein realistisches Bild:www.vierpfoten.ch
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