Ein ungewöhnlicher Anblick
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues und Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um die Leuzismus im Tierreich. - Von Severin Dressen
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues und Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um die Leuzismus im Tierreich. - Von Severin Dressen
Bei uns im Zoo leben offiziell rund 350 Tierarten. Inoffiziell sind es aber sehr viel mehr. Denn neben den Exoten leben überall im Zoo verteilt auch jede Menge einheimische Tierarten. Das Spektrum reicht von Sandbiene und Zitronenfalter über Erdkröte, Bergmolch, Ringelnatter, Mauersegler, Schwarzspecht, Fitis bis hin zu Hermelin oder Siebenschläfer. Der Zoo ist ein Hort der Artenvielfalt und bietet unterschiedlichsten Tierarten, darunter auch vielen bedrohten, eine Heimat.
Unter all diesen Bewohnern findet sich auch ein besonders auffälliges Tier. Im ersten Moment weiss man gar nicht so recht, was man da eigentlich vor sich hat. Grösse, Form und Schnabel nach müsste es sich um eine Amsel handeln. Aber das Gefieder passt so gar nicht zu einer typischen Amsel. Denn statt einheitlich schwarz ist es durchsetzt mit weissen Flecken. Und dennoch – es ist eine Amsel.
Von unseren Tierpfleger*innen wird sie regelmässig gesichtet und auch einigen Stammgästen des Zoos dürfte sie bekannt sein. Oft hält sie sich im Bereich der Vogelwiese, unterhalb der momentanen Baustelle für die Pantanal Voliere auf. Dort habe auch ich sie schon ab und zu gesehen und beobachtet. Es ist einfach ein Anblick, der fasziniert.
Krank ist die Amsel übrigens nicht. Ihr einzigartiges Gefieder verdankt sie einer Laune der Natur. In der Fachsprache nennt sich das Leuzismus. Leuzismus ist eine genetische Mutation, die bei Tieren zu einer teilweisen oder vollständigen Weissfärbung des Gefieders, Fells oder der Haut führt. Das Phänomen tritt nicht ausschliesslich bei Amseln oder Vögeln auf, sondern kann im Grunde alle Wirbeltierarten betreffen. Der Körper bildet dann in bestimmten Körperzellen keine Pigmente, weshalb die entsprechende Körperstelle weiss bleibt.
Deutlich bekannter als Leuzismus ist Albinismus. Beides ist eine Störung der Melanin-Produktion im Körper. Grösster Unterschied ist das Ausmass der Störung. Während der Körper beim Albinismus meist gar kein Melanin – also Pigmente, die dunkel färben – produziert, sind beim Leuzismus nur Teile des Körpers betroffen. So bleiben die Augen bei von Leuzismus betroffenen Lebewesen in der Regel normal gefärbt, während sie beim Albinismus meist rötlich oder rosa sind. Beide Störungen werden vererbt, was erklärt, dass die aktuelle Amsel nicht die erste Amsel mit einer solch auffälligen Gefiederzeichnung bei uns im Zoo ist. Bereits in den vergangenen Jahren haben unsere Tierpfleger*innen mehrere Amsel-Männchen mit unterschiedlich starken Ausprägungen von Leuzismus beobachtet.
Die Amseln sind also offensichtlich standorttreu und leben bereits seit mehreren Generationen bei uns im Zoo. Es lohnt sich also immer die Augen offen zu halten und den Blick auch mal nach links und rechts, oben und unten zu richten. Man weiss nie, was sich alles Spannendes entdecken lässt. Das gilt natürlich nicht nur für den Zoo, sondern generell. Die Natur ist eigentlich immer für eine überraschende Begegnung gut.
Weitere Infos:
www.zoo.ch
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