Tempo-Zoff am Zürichberg
Die geplante Einführung von Tempo 30 auf der Bergstrasse sorgt für Zündstoff. Die FDP sieht negative Folgen für den öffentlichen Verkehr. - Von Christian Felix
Bergstrasse wird im Kreis 7 zum Politikum. Bild: Christian Felix
Die geplante Einführung von Tempo 30 auf der Bergstrasse sorgt für Zündstoff. Die FDP sieht negative Folgen für den öffentlichen Verkehr. - Von Christian Felix
Die Stadt Zürich will in der Bergstrasse vom Klusplatz bis zur Kirche Fluntern Tempo 30 einführen. Dagegen regt sich allerdings entschlossener Widerstand seitens der FDP 7+8. Die Partei hat gegen das Vorhaben eine Einsprache eingereicht, muss aber damit rechnen, dass der Stadtrat diese abweist. «Dann werden wir das Verfahren weiterziehen», sagt Claudio Zihlmann. Er ist Präsident der FDP 7+8 und Kantonsrat. «Ich bin nicht gegen Tempo 30, wo es sinnvoll ist», betont er und nimmt als Beispiel das Schulhaus in der Mühlebachstrasse. Hier sei Tempo 30 angebracht. Nicht aber auf der Bergstrasse, so Zihlmann. «Auf den Hauptachsen muss der Verkehr fliessen. Sonst weicht er in die Wohngebiete des Quartiers aus.» Diese Gefahr sieht grundsätzlich auch der Quartierverein Hottingen. Seit es zum Beispiel am Kreuzplatz eine Baustelle gebe, dränge sich der Verkehr durch die Neptunstrasse und die Freiestrasse.
Der Quartierverein habe allerdings eine nuancierte Sicht auf Tempo 30 in der Bergstrasse, so Florian Steiner, Co-Präsident des Quartiervereins Hottingen. Steiner weist darauf hin, dass es oberhalb der Bergstrasse keine Schulhäuser gibt. Die Kinder aus diesem Viertel müssen auf dem Schulweg in die Schulhäuser Ilgen und Bungertwies die Bergstrasse überqueren. Diese weist viele Kurven auf, die Zebrastreifen liegen an unübersichtlichen Stellen. Tempo 30 könne hier die Sicherheit der Kinder deutlich verbessern. «Mit dem Anpassen der Bushaltestellen wurde zwar schon viel erreicht», sagt Florian Steiner: «Aber ich kann den Wunsch einiger Eltern durchaus verstehen, die auf dem Abschnitt oberhalb des Bungertwies Tempo 30 fordern». Eine gangbare Lösung für die Bergstrasse wäre laut Steiner, Tempo 30 nur auf dem kurvigen Abschnitt zwischen Kirche Fluntern und Klosbachstrasse einzuführen: «Wer hier mit Tempo 50 in die Kurven fährt, ist ohnehin zu schnell unterwegs». Der Zeitverlust auf dieser Strecke wäre beschränkt.
Dennoch drängt sich die Frage des öffentlichen Verkehrs auf. Claudio Zihlmann von der FDP 7+8 zum Beispiel hat kein Auto: «Ich benutze meist den öffentlichen Verkehr». Gerade dieser werde durch Tempo 30 in der Bergstrasse ausgebremst. Der Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich untersuchte dieses Szenario im April 2024 in der Studie «Akustisches Projekt Bergstrasse». Sie legt nahe, dass der Zeitverlust für die Buslinie 33 durch Tempo 30 gut eine Minute betrage. Zusammen mit weiteren Tempo 30 Projekten auf der 33er-Strecke wird der Bus bei der Hin- und Rückfahrt um gut acht Minuten langsamer. Um die Kapazitäten der Buslinie dennoch aufrecht zu erhalten, empfiehlt die Studie einen zusätzlichen Bus einzusetzen. Kostenpunkt: 530 000 Franken. Dazu kommen jährlich wiederkehrende Betriebskosten von 300 000 Franken.
Die Buslinie 33 wurde 1998 von der Kirche Fluntern bis Bahnhof Tiefenbrunnen verlängert. Die Busse sind zügig unterwegs und entlasten das Stadtzentrum – bis jetzt wenigstens.
Bei der Einführung von Tempo 30 in einzelnen Strassen handelt die Stadt in einem übergeordneten Rahmen. Sie stützt sich auf der Lärmschutzverordnung des Bundes. Diese verlangt, dass die Stadtverwaltung fortlaufend überprüft, ob Lärmgrenzwerte überschritten werden. Vorgegeben ist auch, dass Massnahmen an der Quelle, also bei den Fahrzeugen, zu bevorzugen sind. Allerdings ist die Lärmschutzverordnung flexibel angelegt. Bei jedem einzelnen Projekt zur Verkehrsberuhigung muss die Behörde prüfen, ob die Einführung von Tempo 30 verhältnismässig ist. Das «Akustisches Projekt Bergstrasse» macht das akribisch. Für jedes Haus an der Bergstrasse haben die Behörden die Lärmbelastung gemessen. Das Ergebnis: Niemand an der Bergstrasse leidet unter dem Alarmwert. Tagsüber aber müssen 770 Personen einen Lärm über dem Grenzwert hinnehmen, nachts 740. Mit Tempo 30 sinkt diese Zahl auf 470 Personen, nachts 430. Die Studie kommt zum Schluss: «In Abwägung all dieser Vor- und Nachteile wird Tempo 30 in der Bergstrasse als verhältnismässig beurteilt». Die FDP kommt zu einer anderen Beurteilung. Wegen des sich nun abzeichnenden Rechtsmittelverfahrens bleibt offen, wann und ob überhaupt Tempo 30 auf Zürichs «Sunset Boulevard» eingeführt wird.
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