Mordkomplott in Aussersihl
1909 kam es zu einem aufsehenerregenden Giftmordprozess am Zürcher Schwurgericht. Die Hauptrolle spielten eine Kartenlegerin, eine Wäscherin und ein gewalttätiger Ehemann. - Von Isabella Seemann
Bei den Mordvorbereitungen spielten unter anderem auch Kartenlegen und Wahrsagen eine Rolle. Gemälde von Paul Spangenberg, um 1911. Bild: PD
1909 kam es zu einem aufsehenerregenden Giftmordprozess am Zürcher Schwurgericht. Die Hauptrolle spielten eine Kartenlegerin, eine Wäscherin und ein gewalttätiger Ehemann. - Von Isabella Seemann
Die Tribüne im Schwurgerichtssaal war brechend voll. Vor dem Gebäude drängten sich Hunderte. Am 14. Februar 1910 begann der aufsehenerregende Giftmordprozess im Fall «Karli». Auf der Anklagebank: Tramwagenführer Joseph Karli wegen Gehilfenschaft, Anna Widmer, mehrfach vorbestrafte Mutter von zehn Kindern, wegen Anstiftung zum Mord, sowie die Kartenlegerin Karoline Bücher und die Wäscherin Anna Köng wegen Mordes. Das Opfer: Karlis Ehefrau Christine.
Alle vier Angeklagten erklärten sich für unschuldig. Zeugen berichteten von einer Liebschaft zwischen Karli und Widmer – Frau Karli sei ihnen im Wege gestanden. Der Angeklagte soll seine Frau brutal misshandelt und mit dem Revolver bedroht haben. Einmal sei er gar mit einem Küchenmesser auf sie losgegangen. Für 50 Franken sollen sich Köng und Bücher bereit erklärt haben, Frau Karli heimtückisch aus dem Weg zu räumen, so die Anklage.
Bei den Mordvorbereitungen spielte allerlei Hokuspokus eine Rolle: Kartenlegen, Wahrsagen und Sympathiezauber. Als die Wirkung ausblieb, erschlichen Bucher und Köng das Vertrauen des Opfers. Am Morgen des 15. September 1909 besuchten sie Frau Karli in ihrer Wohnung an der Badenerstrasse und brachten zwei Flaschen Wein mit. Während des Trinkens schüttete Köng in einem unbeobachteten Moment Strychnin in das Glas der Gastgeberin. Das Gift wirkte sofort: Die Mutter von sechs Kindern starb unter qualvollen Krämpfen. Kurz darauf wurden die vier verhaftet. Die Zeitungen schrieben vom «raffiniertesten Kriminalfall», der je in Zürich ans Tageslicht gekommen war. Das Gericht erklärte alle für schuldig und verurteilte sie zu lebenslangem Zuchthaus. Den Weg zurück ins Gefängnis mussten sie zu Fuss antreten – durch die vom Fastnachtstreiben belebten Strassen, verfolgt vom Hohn-Geschrei des Pöbels.
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