Hungerstreik für das Leben
Als es im März 1979 in einem US-amerikanischen Kernkraftwerk zu einem schweren Störfall kam, mobilisierten sich an Ostern auch in Zürich die Kernkraftgegner. - Von Jan Strobel
Als es im März 1979 in einem US-amerikanischen Kernkraftwerk zu einem schweren Störfall kam, mobilisierten sich an Ostern auch in Zürich die Kernkraftgegner. - Von Jan Strobel
Als es am 28.März 1979 im Reaktorblock 2 des Kernkraftwerks Three Mile Island bei Harrisburg im US-Bundesstaat Pennsylvania zu einer partiellen Kernschmelze kam, strahlte dieser ernste Störfall auch auf die Schweiz aus. Plötzlich schien die als so sicher eingestufte Kernkraft in Frage gestellt, das Vertrauen in die Kernenergie ramponiert. Was für praktisch ausgeschlossen galt, war nun doch eingetroffen. Verschärft wurde das Misstrauen durch einen publik gewordenen vertraulichen Bericht der Schweizer Behörden. Demnach war es bereits 1974 im Kernkraftwerk Beznau I zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, der aber, gemäss den Sicherheitsbehörden, keinen Schaden verursacht hatte.
Harrisburg wurde für die Bewegung der Kernkraftgegner zu einem Menetekel. In Zürich gingen rund 150 Menschen auf die Strasse. Kurz vor Ostern 1979 kam es zu einer Protestaktion, als sechs Atomkraftgegner im Haus an der Forchstrasse 10 in einen Hungerstreik traten. Die Gruppe verlangte vom Bundesrat den Verzicht auf den Bau von neuen AKWs und den Ausstieg aus der Kernenergie. Dem Protest schloss sich die «Arbeitsgruppe Ökologie und Politik» an, die von Karfreitag bis Ostersonntag vor dem Grossmünster eine «Ostermahnwache gegen Atomkraftwerke» organisierte.
Die Gruppe wandte sich mit einer religiös aufgeladenen Botschaft an die Öffentlichkeit: Ostern sei das «Fest des Lebens», hiess es im Communiqué. Ihm stehe der AKW-Unfall als «Zeichen einer Bedrohung» gegenüber. Ostern, als die Feier der Auferstehung Christi, vermittle die «Aufgabe und den dazu gehörenden Mut, Leben unter allen Umständen zu achten». Erfahrungen wie Harrisburg könnten «einen Lernprozess einleiten.»
Nach zwei Wochen beendete die Aktivistengruppe ihren Hungerstreik. Aus ihrer Sicht war der Protest ein Teilerfolg: Die Gesellschaft «sei nicht mehr bereit, die Unwahrheiten von Regierung und Industrie zu glauben», sondern erkenne «Leben als höchsten Wert an».
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