Fisch-Rettung in letzter Sekunde
Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um Buntbarsche. - Von Severin Dressen
Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um Buntbarsche. - Von Severin Dressen
Ende August hatte ich Ihnen an dieser Stelle von drei neuen Fischarten aus Madagaskar bei uns Aquarium berichtet und erzählt, dass diesen drei bald eine weitere Art mit einer besonders spannenden Geschichte folgen wird. Nun ist es soweit – 14 Mangarahara-Buntbarsche sind ebenfalls eingezogen.
Buntbarsch, das klingt nach bunten, farbenfrohen und prächtigen Fischen. Und ja, für viele der etwa 1700 Buntbarscharten trifft das auch zu. Nicht jedoch für den Mangarahara. Er ist eher so etwas wie die graue Maus unter den Buntbarschen. Vielleicht auch deshalb wurde er lange übersehen und seine Art erst 2006 erstmals wissenschaftlich beschrieben. Dabei ist er für Forschende äusserst interessant. Buntbarsche gelten als Paradebeispiel der Evolution. Ständig bilden sie neue Arten, grenzen sich durch neue Farbvarianten und Fortpflanzungsstrategien voneinander ab und besetzten so immer wieder neue ökologische Nischen.
Der Mangarahara gilt als die ursprüngliche Form all dieser Buntbarsche und erlaubt daher einen besonders tiefen Blick in die Geschichte der Evolution und die Entstehung von Arten. Doch das ist noch nicht alles, was es über ihn zu berichten gibt. Wirklich spannend ist die Geschichte seiner derzeitigen Existenz. Denn fast wäre er für immer verloren gewesen. Der Mangarahara ist eine endemische Art, kommt also nur auf Madagaskar vor. Und dort wiederum nur in einem einzigen Flusssystem im Norden der Insel. Dieses wurde durch den Bau mehrerer Staudämme zur Bewässerung von Reisfeldern jedoch grösstenteils zerstört. Und so galt der Fisch bereits 2013 als in der Wildnis ausgestorben. In zwei Zoos weltweit existierten zu diesem Zeitpunkt noch genau drei Männchen und ein Weibchen. Dann starb das Weibchen. Die beiden Zoos starteten noch einen letzten Aufruf innerhalb der weltweiten Aquarianer-Gemeinde. Ein Weibchen fand sich nicht, aber ein madagassischer Fischzüchter meldete sich. Er war sich sicher, einige Exemplare in der Nähe des ursprünglichen Verbreitungsgebiets gesehen zu haben. Es wurde eine aufwendige Suchexpedition gestartet und als nach intensivem Durchkämmen mehrerer Flüsse und Bäche kaum noch Hoffnung bestand, tauchten in einem abgetrennten Seitenarm – und für die Fische gänzlich ungeeigneten Lebensraum – tatsächlich noch 18 Mangarahara-Buntbarsche auf. Die letzten Überlebenden. Sie wurden gefangen und auf eine madagassische Fischfarm gebracht, wo sie sich erholten und bald auch vermehrten. Ein Schutzgebiet wurde eingerichtet und die Nachkommen der Überlebenden für den Aufbau einer Reservepopulation auf mehrere Zoos weltweit verteilt.
Mit dem Neubau der Forschungsstation bei uns im Zoo beteiligen nun auch wir uns am Erhalt des Mangarahara-Buntbarsches. Die aktuelle Zoo-Population umfasst 370 Tiere. Weil geeigneter Lebensraum fehlt, ist eine Wiederansiedelung derzeit nicht möglich. Doch durch das Schutzprojekt in Madagaskar und die Mangaraharas in Zoos besteht Hoffnung, dass die Art langfristig doch noch gerettet werden kann.
Weitere Infos: www.zoo.ch
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