Raymi lebt sich ein
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um Brillenbär Raymi. - Von Severin Dressen
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. In dieser Woche geht es um Brillenbär Raymi. - Von Severin Dressen
Vorsichtig, ganz, ganz vorsichtig tastet sich Brillenbärenmännchen Raymi vorwärts. Auf dem Holzsteg, direkt vor seiner Nase und doch irgendwie unerreichbar, liegen einige sehr verlockende Leckerbissen. Diese liegen dort nicht ohne Grund. Raymi soll den Holzsteg kennenlernen. Er dient als Verbindungsbrücke zwischen den verschiedenen Anlageteilen im Lebensraum der Brillenbären bei uns im Zoo. Nur Raymi ist neu, erst Anfang Oktober – nach Abschluss der Quarantäne – eingezogen in sein neues Zuhause. Er kennt die Konstruktion noch nicht. Da kann so ein Holzsteg über einen tiefen Graben schon einschüchternd wirken. Wer weiss, ob der Steg auch hält. Besser langsam rantasten. Und so schiebt sich Raymi Stück für Stück, Leckerbissen um Leckerbissen, auf dem Bauch liegend vorwärts – die Hinterbeine stets noch mit Bodenkontakt. Sicher ist sicher.
Raymi ist noch ein junger und unerfahrener Brillenbär, gerade erst zwei Jahre und neun Monate alt. Geboren wurde er im Salisbury-Zoo in den USA. Im Rahmen des Erhaltungszuchtprogramms für die bedrohte Art ist er Anfang September per Flugzeug in die Schweiz und dann weiter zu uns in den Zoo gereist. Hier soll er in ein paar Jahren für Nachwuchs sorgen und so zum Erhalt der Reservepopulation beitragen. Brillenbären werden erst mit etwa vier Jahren geschlechtsreif. Als Bär aus den USA ist er für die europäische Zoopopulation besonders wertvoll, da seine Gene noch nicht vertreten sind. Ein möglichst grosser Genpool ist wichtig, damit eine Population stabil bleibt. Zu den beiden Bärenweibchen Rica und Uyuni hatte Raymi bisher nur Sichtkontakt über den Graben hinweg. Diese erste Kontaktaufnahme verlief gut.
Brillenbären sind die einzigen Grossbären Südamerikas und wie so viele Arten in ihrem Bestand bedroht. Ihr Lebensraum sind die Anden, weshalb sie auch Andenbären genannt werden. Dort stehen sie zunehmend in Konkurrenz zur Viehwirtschaft, die grosse Bereiche in Weiden umwandelt. Riesige Sojaplantagen führen zu Verlust und Zersplitterung der Reviere der Tiere. Konflikte mit Menschen bleiben nicht aus und so werden auch immer wieder Bären getötet oder gefangen und verkauft.
Brillenbären sind gut zu erkennen an ihrer markanten Gesichtszeichnung, der sie auch ihren Namen verdanken. Die hellen Ringe um die Augen wirken wie eine Brille. Allerdings besitzen nicht alle Tiere die gleichen Flecken, manche sind stärker, manche nur teilweise ausgeprägt und manchmal fehlen sie auch ganz. So wie bei Raymi. Für Zoogäste ist dies ein gutes Merkmal, um die Tiere voneinander zu unterscheiden. Wenn Sie also beim nächsten Zoobesuch nicht sicher sind – Raymi ist gänzlich schwarz im Gesicht. Und der Holzsteg ist ihm nach wie vor nicht ganz geheuer.
Weitere Infos: www.zoo.ch
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