Wenn der «Winterblues» die Stimmung vermiest
In den dunklen Wintertagen neigen viele Menschen zu einer saisonalen Depression. Was mandagegen tun kann, erklärt Psychiater Sebastian Olbrich. - Von Stefan Müller
Während einer saisonalen Depression verdunkelt sich die eigene Wahrnehmung. Bild: iStock
In den dunklen Wintertagen neigen viele Menschen zu einer saisonalen Depression. Was mandagegen tun kann, erklärt Psychiater Sebastian Olbrich. - Von Stefan Müller
An grauen und düsteren Wintertagen geraten manche Menschen in ein Stimmungstief. Warum?
Sebastian Olbrich: Sie könnten an einer saisonalen Depression leiden, auch Winterblues genannt. Es gibt Schätzungen, wonach zwischen ein bis zehn Prozent der Menschen davon betroffen sein könnten. Die Ursache für einen Winterblues ist wahrscheinlich ein anhaltender Tageslichtmangel. Es sind oft Menschen, die hauptsächlich in Räumen arbeiten.
Wie sehen die typischen Symptome aus?
Sie ähneln einer klassischen Depression wie gedrückter Stimmung, Antriebshemmung und Interessensverlust. Manchmal auch verbunden mit eher untypischen Symptomen wie Heisshunger-Attacken und vermehrter Schlafneigung. Damit man von einer saisonalen Depression sprechen kann, muss die Krankheit mindestens zwei Jahre lang regelmässig im Herbst oder Winter auftreten.
Wer ist davon betroffen?
Die Häufigkeit der saisonalen Depression nimmt mit dem Abstand zum Äquator zu. Das bedeutet, dass Menschen in nördlichen Ländern häufiger davon betroffen sind. Es gibt hier Zusammenhänge mit der Dauer der Sonneneinstrahlung pro Tag. Generell können wahrscheinlich alle Altersgruppen daran erkranken, ebenfalls Kinder und Jugendliche, allerdings sind hier die Symptome nicht so leicht erkennbar. Ich denke nicht, dass die saisonale Depression heute häufiger aufritt als früher, im Gegensatz zu psychischen Erkrankungen allgemein.
Wie wird eine saisonale Depression behandelt?
In den 1980er-Jahren wurde die Lichttherapie entwickelt, um die Tageslichtperiode zu verlängern und der Dunkelheit im Winter entgegenzuwirken. Die Lichttherapie hilft erfolgreich bei der klassischen Depression als auch bei der saisonalen Depression.
Wie funktioniert die Lichttherapie?
Durch die Lichttherapie kommt es zu einer Normalisierung des Tagesrhythmus, also des Schlaf-Wach-Rhythmus, der bei depressiven Erkrankungen häufig gestört sein kann. Wichtig ist, dass die Lichtquelle aus weissem Licht besteht und eine bestimmte Lichtintensität überschreitet. Das bedeutet, dass man mindestens 2500 Lux für vier Stunden täglich ausgesetzt sein muss oder besser noch über 10 000 Lux für 30 Minuten, am besten am Morgen zu gleichen Zeiten. Nach einigen Tagen stellt sich dann der antidepressive Effekt ein. Die Augen müssen dabei geöffnet sein, aber der Blick braucht nicht direkt ins Licht gerichtet zu sein. Es reicht, wenn man zum Beispiel ein Buch liest. Es wird angenommen, dass die Wirkung des Lichtes über die Netzhaut im Auge vermittelt wird.
Wie wirksam ist die Lichttherapie?
Die Wirkung ist stimmungsaufhellend und stabilisierend. Studien haben gezeigt, dass die Lichttherapie Placebo-Behandlungen überlegen ist und insbesondere bei saisonal auftretenden depressiven Symptomen auch wirkungsvoller als Medikamente sein kann.
Gibt es noch andere Ansätze, wie man eine saisonale Depression behandeln kann?
Bei Bedarf verschreiben wir Medikamente wie gegen die klassische Depression. Als weitere Möglichkeit ist die Psychotherapie zu nennen, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie. Vitamin D3 kann sinnvoll sein, aber nur wenn ein Mangel vorliegt. Mittlerweile gibt es auch Möglichkeiten, zum Beispiel mit Hirnwellenmessung (EEG) und Herzaktivitätsmessung (EKG) Hinweise zu finden, welches die beste Therapie gegen die Depression sein könnte.
Was kann man vorsorglich tun?
Man sollte sich täglich Zeit nehmen, um eine Dosis Sonnenlicht und frische Luft zu tanken. Das hat grossen präventiven Charakter. Ganz allgemein mehr Bewegung im Freien kann Erkrankungen vorbeugen. Wenn die Symptome allerdings einmal da sind, sollte man sich Rat bei der Ärztin oder dem Therapeuten holen. Insbesondere, wenn jemand suizidale Gedanken hat.
Ihre Meinung zum Thema?
Lichttherapie ist eine physikalische Behandlungsmethode. Dabei kommt Licht von bestimmter Helligkeit und Wellenlänge zum Einsatz. Als Lichtquellen dienen spezielle Lichttherapielampen, die auch zu Hause verwendet werden können. Eine Lichtdusche morgens nach dem Aufstehen von mindestens 30 Minuten Dauer gilt als optimal. Einen Sonnenbrand gibt es nicht, die Lampen sind mit UV-Filter ausgestattet. In der Schweiz werden die Lichttherapielampen von den Krankenkassen für die Therapie der saisonalen Depression bezahlt. MÜ
Mehr Informationen unter:https://cet.org
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