Peter Winklers Monat der Angst
In der Endphase des libanesischen Bürgerkriegs wurde im November 1988 auch die offizielle Schweiz mit dem Konflikt konfrontiert, als ein junger IKRK-Delegierter entführt wurde. Von Jan Strobel
Der Peugeot, aus dem Peter Winkler gezerrt wurde. Bild: PD
In der Endphase des libanesischen Bürgerkriegs wurde im November 1988 auch die offizielle Schweiz mit dem Konflikt konfrontiert, als ein junger IKRK-Delegierter entführt wurde. Von Jan Strobel
Am 18. Dezember 1988 konnten die Eltern des 32-jährigen Peter Winkler am Flughafen Zürich ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk empfangen. Es war der Moment, als sie ihren Sohn in die Arme schliessen durften – umzingelt von den Kameras der anwesenden Journalisten. Tatsächlich war die Heimkehr des gebürtigen Ustermers nicht nur ein Geschenk an das Leben; sie markierte auch das Ende einer der dramatischsten Entführungsfälle, mit denen die Schweiz bis dahin konfrontiert worden war.
Am 17. November 1988 war Peter Winkler, Mitarbeiter des IKRK, in der südlibanesischen Stadt Saida von drei bewaffneten Männern aus seinem Peugeot 405 gezerrt und verschleppt worden. Der Bürgerkrieg im Libanon befand sich damals in seiner letzten Phase. Sofort versuchte das IKRK mithilfe regionaler Milizen Kontakt mit den Entführern aufzunehmen, bis wenige Tage später ein Schreiben im Büro der Presseagentur AFP in West-Beirut eintraf. Winkler, hiess es darin, sei nicht als Delegierter des IKRK, sondern als Schweizer Bürger entführt worden. Der Bundesrat wisse, «was zu tun» sei. Tatsächlich lag bei den Schweizer Behörden die Vermutung nahe, dass der junge Mann als «Pfand» für den Flugzeugentführer Hussein Hariri eingesetzt werden sollte. Der Libanese hatte 1987 eine Maschine der Air Afrique auf ihrem Flug von Rom nach Paris entführt. Das Flugzeug landete schliesslich in Genf und Hariri im Schweizer Gefängnis.
Peter Winklers Geiselnehmer bekannten sich zu einer Gruppe, die sich «Organisation of Socialist Revolutionaries» nannte. Über den schwedischen Botschafter im syrischen Damaskus nahmen sie schliesslich Verhandlungen mit den Schweizer Behörden auf. Bundesrat René Felber besprach sich seinerseits mit UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar. Unterstützung erhofften sich die Schweizer auch von PLO-Chef Yassir Arafat. Am Ende ging es schnell. Peter Winkler wurde freigelassen und verliess Beirut mit dem Schiff Richtung Zypern, von wo er schliesslich nach Zürich weiterreiste. Über seine Zeit in den Händen der Geiselnehmer erzählte Peter Winkler kürzlich dem «Le Quotidien Jurassien»: «Einen Monat lang verbrachte ich an den Handgelenken gefesselt in einer Toilette.» Nach seiner Rückkehr sei er berühmt gewesen, «ohne etwas getan zu haben». Später arbeitete Peter Winkler als Journalist für die «NZZ»-Auslandredaktion, zuletzt bis zu seiner Pensionierung 2021 als USA-Korrespondent.
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