Win-Win im Riff
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um Symbiose im Tierreich. - Von Severin Dressen
ZOO INTERN Alle zwei Wochen berichtet das «Tagblatt» über Neues oder Wissenswertes aus dem Tiergarten. Heute geht es um Symbiose im Tierreich. - Von Severin Dressen
Man muss schon sehr genau hinschauen, um die neuen Bewohner des Raub- und Giftfischbeckens zu entdecken. Nicht nur, weil sie eher klein sind, sondern auch, weil sie sich zwischen all den Anemonen sehr gut zu verstecken wissen. Unsere Falschen Clownfische – es gibt auch Echte Clownfische – sind umgezogen. Statt im Korallenriffbecken leben die wissenschaftlich Amphiprion ocellaris genannten Fische nun seit gut zehn Wochen im Nachbarbecken, umzingelt von Fressfeinden.
Das mag im ersten Moment paradox anmuten, tatsächlich geht es ihnen dort aber sehr gut. Als Vertreter der Anemonenfische leben Clownfische in enger Symbiose mit Anemonen und diese sind im Raub- und Giftfischbecken reichlich vorhanden. Im Korallenriffbecken befinden sich nur sehr wenige und eher kleine Anemonen. Anemonen – übrigens Tiere, keine Pflanzen – besitzen giftige Nesseln, weshalb die meisten Fischarten auf Abstand gehen.
Der Clownfisch hat sich dies zunutze gemacht. Nicht immun geboren, eignet er sich eine schützende Schleimschicht gegen das Anemonengift durch regelmässige kurze Kontakte mit dem Tier nach und nach an. Quasi eine Art Desensibilisierungstherapie. Im Gegenzug für den Schutz, den die Anemone dem Clownfisch bietet, verteidigt er diese. Einige wenige Fischarten, beispielsweise Falterfische, sind in der Lage, Anemonen zu fressen. Der Clownfisch greift diese an und jagt sie weg. Direkt danach gehts zurück in die Anemone.
Der Bewegungsradius von Clownfischen ist also sehr überschaubar. Das wiederum hat Auswirkungen auf ihre Fortpflanzungsstrategie. Rund 30 Arten von Anemonenfischen sind bekannt und sie alle werden männlich geboren. Anemonenfische sind protandrische Zwitter. Sie können ihr Geschlecht von männlich zu weiblich wechseln. Das machen sie aber nicht wahllos nach Lust und Laune, entscheidend sind Grösse und die äusseren Umstände. Clownfische leben in kleineren Gruppen mit einem dominanten Weibchen an der Spitze. Sie ist der Boss und das grösste Tier in der Gruppe. Direkt danach folgt das dominante Männchen, mit dem sie sich fortpflanzt. Stirbt das Weibchen, wird ihr Partner, der nun das grösste Tier der Gruppe ist, zur neuen Chefin. Er wandelt also sein Geschlecht. Und ein bisher unterdrücktes Männchen übernimmt seinen Posten als dominanter Fortpflanzungspartner. Damit es nicht zu Inzucht kommt, bilden Jungtiere neue Gruppen und ziehen dazu jeweils weiter zur Nachbaranemone. Im räumlich stark begrenzten Mikrokosmos eines Clownfisches kommt das dann fast schon einer Weltreise gleich. Also vergessen Sie Nemo – ein Clownfisch hätte solch eine Reise niemals unternommen. Und ganz nebenbei wäre Marlin nach dem Tod von Cora auch nicht mehr Nemos Vater gewesen, sondern mittlerweile seine Mutter. Ist die Natur nicht einfach fantastisch?
Weitere Infos: www.zoo.ch
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