Ein Greifvogel im Aufwind
Der Rotmilan zählt zu den eindrucksvollsten Greifvögeln der Schweiz. In den letzten Jahrzehnten hat er sich seinen Lebensraum zurückerobert – und zieht auch am Himmel über Zürich seine Kreise. - Von Isabella Seemann
Der Rotmilan zählt zu den eindrucksvollsten Greifvögeln der Schweiz. In den letzten Jahrzehnten hat er sich seinen Lebensraum zurückerobert – und zieht auch am Himmel über Zürich seine Kreise. - Von Isabella Seemann
Majestätisch, elegant und lautlos gleitet er über dem Zürichberg. Der lange, tiefgegabelte Schwanz, das rostrote Gefieder mit weissen Flügelfeldern vor den schwarzen Handschwingen sowie der markante grauweisse Kopf mit dem kräftigen Schnabel: unverkennbar ein Rotmilan. Er ist nicht nur eine stolze Erscheinung, sondern auch ein Symbol für den Erfolg des Schweizer Artenschutzes. Einst am Rande der Ausrottung, hat sich seine Population in beeindruckender Weise erholt.
Noch in den 1960er-Jahren gab es lediglich etwa 90 Brutpaare. Heute brüten hierzulande rund 3500 Paare, und rechnet man Jungvögel sowie nicht brütende Tiere hinzu, bevölkern im Sommer weit über 10 000 Rotmilane den Schweizer Himmel. Die Zunahme, die vor allem seit der Jahrtausendwende bemerkenswert ist, hält weiter an. Damit beherbergt die Schweiz inzwischen rund zehn Prozent der weltweiten Rotmilan-Population, was das Land zu einem bedeutenden Lebensraum für diese Vogelart macht.
Obwohl der Rotmilan bevorzugt im Flachland offene Kulturlandschaften mit Wiesen und Feldern besiedelt, zeigt er sich auch als flexibler Überlebenskünstler, der urbane Lebensräume erobert. Sogar am Zürcher Himmel sind die gewandten Jäger inzwischen regelmässig zu beobachten, wenn sie in langsamen Gleit- und Segelflügen systematisch nach Beute suchen. Mäuse, Regenwürmer und Aas stehen dabei ebenso auf ihrem Speiseplan wie menschliche Hinterlassenschaften – von Abfällen bis zu Essensresten aus Picknickkörben.
Mit einer Flügelspannweite von bis zu 165 Zentimetern ist der Rotmilan der grösste Greifvogel im Stadtgebiet. Rund zwanzig Brutpaare ziehen in den Randgebieten der Wälder ihren Nachwuchs gross, etwa am Zürichberg, Adlisberg, Uetliberg oder in kleineren Gehölzen wie dem Hürstholz, Schwandenholz oder Riedenholz. Die Jungvögel zieht es im Winter nach Frankreich oder Spanien. Ältere Tiere bleiben jedoch immer häufiger in der Region, da milde Temperaturen und schneefreie Böden ihnen eine problemlose Nahrungssuche ermöglichen. Sie schliessen sich dann zu grossen Schlafgemeinschaften zusammen, im Kanton Zürich im Neeracherried oder in Flaach – ein beeindruckendes Naturschauspiel, wenn sie sich zu Hunderten in den Baumwipfeln versammeln.
Vor rund zehn Jahren startete die Vogelwarte Sempach ein Forschungsprojekt, das die Ursachen und Rahmenbedingungen dieses Wachstums untersucht. Der Erfolg der Art ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Schutzmassnahmen wie das Verbot gefährlicher Pestizide, die Anpassungsfähigkeit des Rotmilans und das reichhaltige Nahrungsangebot spielen eine zentrale Rolle. Doch mit der Zunahme steigt auch die Verantwortung, den Fortbestand langfristig zu sichern. Windkraftanlagen und Lebensraumverluste stellen auch für diesen scheinbar erfolgreichen Greifvogel potenzielle Gefahren dar.
Die Voliere-Gesellschaft lädt zum Vortrag über das Forschungsprojekt zum Rotmilan der Vogelwarte Sempach mit deren Mitarbeiter Dr. sc. nat. Patrick Scherler heute Mittwoch, 27.11., 19 h, im Vortragsraum Mythenquai, Eingang Strandbad Mythenquai. Platzreservation erforderlich: info@voliere.ch
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