Vereinspräsident Christian Klee (v. l.), Ivan Cucchi, Eva Wolfisberg, Renato Sciarrone, Sandra Arias, Jürg Heldstab. Kim Küng
10.10.2024 11:30
Pilze sind nicht nur zum Essen da
Blickpunkt Der Verein für Pilzkunde Zürich widmet sich der Erforschung der hiesigen Pilzvielfalt. Hierfür finden regelmässig Pilzbestimmungsabende in ihrem Vereinslokal an der Limmatstrasse statt. Von Christian Saggese
Die Zürcher Wälder bieten weit mehr als nur die bekannten Speisepilze. Obwohl die meisten Menschen vor allem die Fruchtkörper der Pilze erkennen, verbirgt sich die wahre Vielfalt unter der Erde, im Pilzgeflecht, dem sogenannten Mycel. Diese faszinierende, oft verborgene Welt ist ein wichtiger Bestandteil der Mykologie – der Wissenschaft der Pilze – der sich der städtische Verein für Pilzkunde Zürich (VPZ) seit 105 Jahren widmet.
Der VPZ hat sich das Ziel gesetzt, die lokale Pilzvielfalt zu erforschen, die heimische Pilzflora zu schützen und die Bevölkerung über Pilzvielfalt und Pilzvergiftungen aufzuklären. Sandra Arias, Mediensprecherin des Vereins, erklärt: «Die Mykologie steckt noch in den Kinderschuhen, und es gibt ständig neue Erkenntnisse.» So galten beispielsweise in der Vergangenheit Arten wie der Kahle Krempling oder der Grünling noch als essbar und wurden bis ins 19. Jahrhundert auf Märkten verkauft. Erst schwere Vergiftungen, teils mit tödlichem Ausgang, führten zu einem Umdenken und einer Neubewertung. Der Verein dokumentiert diese Entwicklungen und fördert so das Wissen um die giftigen und seltenen Pilzarten.
Jeden Montag – ausser an Feiertagen – lädt der VPZ zu einem Pilzbestimmungsabend ins Vereinslokal ein. Dort können Mitglieder ihre neusten Funde bestimmen oder sich von anderen Mitgliedern helfen lassen. Bei den Bestimmungen kommen auch technische Instrumente wie Mikroskope und Fachliteratur zum Zuge. In den letzten Jahren hat der Verein zudem begonnen, die DNS der Pilze in spezialisierten Laboren analysieren zu lassen, was zu noch genaueren Bestimmungen führt. «Wir sind jedoch keine amtliche Pilzkontrollstelle», betont Sandra Arias. «Unser Fokus liegt auf der Erforschung und der Wissenserweiterung von Funden unserer Mitglieder, nicht darauf, volle Körbe auf Essbarkeit zu überprüfen.»
Auch wenn für die meisten Personen der Herbst als Hauptsaison in der Pilzwelt gilt, gibt es das ganze Jahr über solche zu finden. Dies ermöglicht es dem Verein, auch im tiefen Winter regelmässig Bestimmungsabende abzuhalten. An diesen kommen übrigens sowohl Einsteiger als auch Fortgeschrittene auf ihre Kosten. Für beide Gruppen gibt es jeweils eigene Tische, an denen sie sich ihrem Wissensstand entsprechend austauschen und weiterbilden können. So entsteht eine Gemeinschaft, in der jeder auf seinem Niveau gefördert wird.
Pioniere in Zürich
Der VPZ gehört zu den ältesten Pilzvereinen der Schweiz. Gegründet wurde er am 22. Juni 1919 von Johann Schifferle und 31 weiteren Pilzbegeisterten. Die ersten Pilzbestimmungsabende fanden damals im Restaurant Münsterhof statt, später wechselte man in andere Lokalitäten. Seit letztem April befindet sich das Vereinslokal im Gesundheitszentrum für das Alter Limmat.
Heute zählt der Verein 230 Mitglieder, und die Zusammensetzung hat sich in den letzten Jahren verändert. «Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass jüngere Generationen das Pilzsammeln für sich entdeckten. Als sie selbsterklärend mehr Zeit im Wald verbrachten, stiessen sie auf diese Faszination und dadurch auch auf das Angebot unseres Vereines», weiss Sandra Arias.
Der Verein bietet neben den wöchentlichen Bestimmungsabenden ein breites Spektrum an Aktivitäten. Dazu zählen Vorträge, Exkursionen, mykologische Studienwochen sowie Waldfeste. Besonders erfolgreich ist der VPZ in der Ausbildung von Pilzkontrollpersonen. Jährlich werden Anwärter intensiv auf die anspruchsvolle Prüfung der Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz (VAPKO) vorbereitet. So haben kürzlich fünf Mitglieder erfolgreich die Prüfung bestanden – wie bereits im Jahr zuvor. «Zürich ist da jeweils sehr gut aufgestellt», ist Sandra Arias stolz.
Die Wälder und Parks in Zürich bieten ideale Bedingungen für die Pilzsuche. Dank des Engagements des Vereins für Pilzkunde Zürich kann die reiche Pilz-Flora – die Funga – nicht nur erforscht, sondern auch für kommende Generationen geschützt werden.