Der Schreck der Vermieter
Mietnomaden zahlen über Monate die Miete nicht. Mit gepflegtem Auftritt und stetigem Weiterziehen tricksen sie Vermieter aus. Sich zu schützen, ist laut Experten schwierig.
Mietnomaden hinterlassen Wohnungen oft chaotisch, hohe Renovationskosten sind die Folge. Symbolbild: AdobeStock
Mietnomaden zahlen über Monate die Miete nicht. Mit gepflegtem Auftritt und stetigem Weiterziehen tricksen sie Vermieter aus. Sich zu schützen, ist laut Experten schwierig.
Sie bringen Vermieter zur Verzweiflung. Sogenannte Mietnomaden beziehen eine Wohnung, ohne die Absicht, jemals die Miete zu bezahlen. Diese Betrüger nutzen das Recht aus, das sie schützt. Denn ein Vermieter kann den Mieter nicht einfach selbst vor die Tür setzen. Bis eine gerichtliche Ausweisung ins Haus flattert, vergehen Monate. In dieser Zeit leben Mietnomaden gratis in der Wohnung.
Auch in Zürich ist dieses Phänomen verbreitet. Der «Tages-Anzeiger» berichtete von einem Fall eines Ehepaars, das Zehntausende von Franken an Mietschulden anhäufte. Die Frau Barbara P.* (80), eine ehemalige Opernsängerin, und ihr Mann Richard C.* (74), ebenfalls in der Zürcher Kulturszene tätig, schienen mit ihrem Renommee vertrauenswürdig. Deshalb verlangte der Vermieter keinen Betreibungsauszug. Sie mieteten eine Jugendstil-Fünfeinhalbzimmer-Wohnung mit zwei Bädern an bester Lage in Zürich für eine monatliche Miete von 5000 Franken. Die beiden wollten ihren Lebensstandard nicht aufgeben, waren aber tatsächlich pleite und lebten am Existenzminimum. Bis der Vermieter sie ausweisen konnte, vergingen zehn Monate, und er blieb auf Mietausfällen und Anwaltskosten von 50 000 Franken sitzen.
Auch «20 Minuten» berichtete von einem Mieter in Winterthur, der die Miete 22 Monate lang nicht bezahlte und die Wohnung anschliessend in einem katastrophalen Zustand hinterliess. «Was der Mieter hier angerichtet hat, ist eine riesige Sauerei», sagte der Eigentümer Carmelo Calabrese der Zeitung. Allein die Reinigungs- und Renovationsarbeiten kosteten ihn 50 000 Franken.
Oft täuschen die Mietnomaden die Vermieter mit einem charmanten Auftritt und guten Manieren. Laut dem Hauseigentümerverband Zürich (HEV) sind diese zunächst völlig unauffällig. «Sie treten oft mit gepflegten Umgangsformen auf, sodass man als Vermieter nicht ahnt, dass es sich um Mietnomaden handelt», sagt Direktor Albert Leiser. Doch Vermieter könnten das Risiko, einem solchen Mieter zum Opfer zu fallen, mit gezielten Massnahmen reduzieren.
Wichtig sei, laut Leiser, eine eingehende Prüfung des Mieters durchzuführen. Vermieter sollten einen Betreibungsregisterauszug verlangen. Auch Referenzauskünfte von früheren Vermietern und Arbeitgebern seien sinnvoll. Der Vermieter könne sich zudem mit einer Mietkaution von drei Monatsmieten absichern, auf die er im Falle eines Zahlungsausfalls zurückgreifen kann. «Ganz schützen kann man sich als Vermieter vor Mietnomaden aber nicht», sagt Leiser.
Trotz Abklärungen ist es schwierig, Mietnomaden als solche zu erkennen. Denn sie wechseln immer wieder den Wohnsitz, so dass im Betreibungsauszug der neuen Gemeinde die Schulden nicht aufgeführt sind. Deswegen werden in der Politik Stimmen laut, dass Betreibungsauszüge anstatt kantonal bundesweit erfasst werden.
Oft lassen die Mietnomaden alle Versuche, in Kontakt zu treten, unbeantwortet. Sie nehmen das Telefon nicht ab, reagieren nicht auf schriftliche Aufforderungen und erscheinen auch bei Anhörungen nicht vor Gericht. Laut Leiser ist das Prozedere klar definiert, wenn der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Zunächst könne der Vermieter den Mieter schriftlich abmahnen und ihm eine 30-tägige Zahlungsfrist setzen. In diesem Schreiben müsse der Vermieter eine ausserordentliche Kündigung androhen, falls der Mieter in dieser Frist die Miete nicht bezahle. Verlasse der Mieter auch nach der 30-tägigen Kündigungsfrist die Wohnung nicht, müsse eine Ausweisung vor Gericht eingeleitet werden.
Bleibe der Mieter trotz Gerichtsbeschluss in der Wohnung, könne der Vermieter beim Stadtammannamt die Zwangsräumung vollstrecken lassen. «Da die Mietnomaden zu diesem Zeitpunkt die Wohnung fluchtartig verlassen, kann es vorkommen, dass sie die Wohnung in einem desolaten Zustand hinterlassen», sagt Leiser. Dem HEV sei keine Versicherung bekannt, mit der sich Vermieter gegen solche Schäden schützen könnten.
Das Einzige, was diese laut Immoverkauf24.ch machen können, ist eine Rechtsschutzversicherung abzuschliessen. Im Schadenfall erhält der Vermieter professionelle Unterstützung und kann gegen den Mietnomaden klagen. Die Versicherung übernimmt auch die Kosten des Rechtsfalls und bewahrt diese vor zusätzlichen Kosten.
Der Mieterverband Zürich nimmt die Vermieter in die Pflicht. «Damit es so weit kommt, braucht es einen Vermieter, der sich über den Tisch ziehen lässt», sagt Sprecher Walter Angst zu «20 Minuten». Vermieter, die sich vertraglich absicherten, würden kaum mit solchen Problemen konfrontiert. Mit Vorkehrungen wie der Mietkaution könnten sich Vermieter gegen Mietnomaden schützen. Wenn Mietzahlungen vermehrt ausblieben, müsse rechtzeitig eine geregelte Kündigung ausgesprochen werden.
Das Mietnomadentum betrifft vor allem private Vermieter. Professionelle Verwaltungen schreckten die Betrüger ab. Auch die Stadt Zürich habe bei ihren Liegenschaften «zum Glück» keine Erfahrung mit diesem Phänomen, sagt Sprecher Kornel Ringli. «Es scheint, dass unsere Mieter gerne in der Stadt Zürich wohnen und die bezahlbare Wohnung nicht verlieren wollen.»
* Namen geändert
Clarissa Rohrbach
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