Flicken statt entsorgen
ERZ will Reparaturcoupons einführen, damit Zürcher weniger Sachen wegwerfen. Nicht alle sind davon begeistert. - Von Clarissa Rohrbach
Das alte Radio wieder in Schuss bringen? Mit finanzieller Beteiligung an Reparaturen will die Stadt animieren, Kaputtes wiederzuverwenden. Pixabay
ERZ will Reparaturcoupons einführen, damit Zürcher weniger Sachen wegwerfen. Nicht alle sind davon begeistert. - Von Clarissa Rohrbach
KORRIGENDUM:In einer früheren Version des Artikels stand, dass die Stadt weiterhin Entsorgungscoupons für den Sperrmüll an die Bevölkerung schickt. Das ist falsch. Die Coupons bleiben bis auf Weiteres abgeschafft. Der Stadtrat wurde vom Gemeinderat mit einem Postulat aufgefordert, zu prüfen, ob zwei statt vier Entsorgungscoupons so lange beibehalten werden sollen, bis ein Ersatzangebot mit Entsorgungsstellen für sperrige Gegenstände in den Quartieren geschaffen wird. Der Stadtrat hat zwei Jahre Zeit, um das Postulat zu prüfen und zu beantworten.
Entsorgung ist in Zürich ein heiss diskutiertes Thema. Anfang September kündigte der Stadtrat an, die Coupons für den Sperrmüll abschaffen zu wollen. Seit rund 20 Jahren erhielten Zürcher vier Gutscheine, um 400 Kilogramm Müll pro Jahr gratis in den Recyclinghöfen der Stadt zu entsorgen. Doch im Gemeinderat gab es einen Aufschrei. Sämtliche Parteien, ausser den Grünen, hielten an den Entsorgungscoupons fest und reichten Vorstösse ein, um diese zu bewahren.
Die Stadt plant auf lange Frist ein neues, zirkuläres Entsorgungssystem. Dazu gehören neben Tauschplätzen für gebrauchte Gegenstände auch Reparaturcoupons. Diese Bons sollen die Zürcher animieren, ihre Gegenstände zu flicken, anstatt wegzuwerfen. Laut ERZ soll das zweijährige Projekt im Frühjahr 2026 starten, vorausgesetzt Stadtrat und Gemeinderat bewilligen die notwendigen Ausgaben. Mit den Coupons beteiligt sich die Stadt finanziell an Reparaturen. Wie dieses Bonussystem im Detail funktionieren werde, sei noch in der finalen Ausarbeitung, meint ERZ-Sprecherin Maria Colon. Ein Vorbild ist Österreich, wo der Staat bereits seit zwei Jahren die Hälfte der Reparaturkosten für Elektrogeräte übernimmt. Laut der Zeitung «Standard» wurden dort die Bons 480 000 Mal eingelöst, am häufigsten für Smartphones. Die Regierung stocke dieses Jahr das entsprechende Budget auf.
Hinter dem Einführen von Reparaturcoupons steckt das Ziel der Stadt, eine Kreislaufwirtschaft zu fördern. Die Behörden haben diese in der Strategie «Circular Zürich» verankert. «Kreislaufwirtschaft leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, dass das städtische Klimaziel, bis 2040 die indirekten Treibhausgasemissionen um 30 Prozent zu reduzieren, erreicht werden kann», sagt Colon. Mit dem Neudenken der linearen Wertschöpfungskette (Kaufen-Nutzen-Entsorgen) könnten Abfall und Umweltbelastungen reduziert werden. Laut Colon produzieren Industriegesellschaften immer grössere Mengen an Konsumgütern zu tiefen Preisen. Aus Bequemlichkeit werfen die Menschen ihre Sachen weg und kauften neue. «Mit Reparaturcoupons wird das Wiederverwenden finanziell attraktiver, was einen Beitrag zu einem veränderten Konsumverhalten leistet», sagt Colon. Die Zahlen zeigen: In der Schweiz werden jedes Jahr rund 130 000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte entsorgt. Dabei wären rund die Hälfte davon noch funktionstüchtig, wie die Ostschweizer Fachhochschule in einer Studie schreibt.
Der grüne Gemeinderat Dominik Waser begrüsst die geplante Reparaturförderung. «Mit den heutigen Coupons schaffen wir einen Anreiz zum Wegwerfen», sagt er zu «Tsueri.ch». Stattdessen müsse es eine Kernaufgabe der Stadt werden, Reparaturleistungen anzubieten. «Reparieren muss dereinst so selbstverständlich werden wie heute der Gang zur Entsorgungsstelle», sagt Waser. Um das Reparieren benutzerfreundlich und praktikabel zu machen, plant die Stadt neben den Coupons auch eine Internetplattform mit passenden Angeboten von Reparaturbetrieben.
Bürgerliche sind von der Idee der Reparaturcoupons empört. «Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, sich finanziell an den Reparaturen zu beteiligen», sagt SVP-Gemeinderat Stephan Iten. Wenn Privatpersonen ihre Sachen reparieren wollten, sei das in der Verantwortung jedes Einzelnen. «Wer sich für die Kreislaufwirtschaft ausspricht, muss dies nicht auf Kosten der Staatskasse machen», so Iten.
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