Film-Nachruf auf Jelmoli
Filmregisseurin Sabine Gisiger zeichnet in «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» die Geschichte der Zürcher Institution nach, die in wenigen Monaten ihre Tore für immer schliesst. - Von Isabella Seemann
Filmregisseurin Sabine Gisiger zeichnet in «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» die Geschichte der Zürcher Institution nach, die in wenigen Monaten ihre Tore für immer schliesst. - Von Isabella Seemann
Eine Ära geht zu Ende: Im Februar 2025 schliesst das traditionsreiche Warenhaus Jelmoli nach 125 Jahren endgültig seine Türen. Die renommierte Regisseurin Sabine Gisiger (unter anderen «Friedrich Dürrenmatt») nahm dieses historische Ereignis zum Anlass, diese Zürcher Institution filmisch zu würdigen. Am kommenden Sonntagabend feiert ihr Dokumentarfilm «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» im Filmpodium Weltpremiere. «Als ich hörte, dass Jelmoli schliesst, war ich, wie viele andere auch, traurig», erzählt die 65-jährige Zürcherin. «Ich verbinde zahlreiche Erinnerungen aus Kindheit und Jugend mit diesem Warenhaus.» Der Gedanke zur filmischen Hommage kam ihr, als sie von der kürzlichen Übergabe des Jelmoli-Archivs an das Zürcher Stadtarchiv erfuhr. Ein Schatz an historischen Dokumenten, Fotografien, Werbefilmen und Katalogen öffnete ihr eine Zeitreise durch die Jahrzehnte. «Da kann eine Historikerin wie ich nicht widerstehen», bemerkt Gisiger.
Die Geschichte des Warenhauses begann bereits im Jahr 1833, als der Italiener Giovanni Pietro Guglielmoli mit drei Marktständen am Hirschengraben günstige Pariser Mode anbot. Sein Angebot fand sofort Anklang: Bereits im November eröffnete Johann Peter Jelmoli, wie er sich nun nannte, an der Schipfe ein Kleidergeschäft. Mit dem Konzept «Alles unter einem Dach» setzte Jelmoli Massstäbe für moderne Einkaufsgeschäfte und wurde zum Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung und Innovation. In den 1890er Jahren zog das Geschäft in den imposanten Neubau an der Ecke Sihlstrasse / Seidengasse hinter der Bahnhofstrasse. Es sollte nicht nur ein Warenhaus sein – es musste zu einer Attraktion werden. «Der Schritt ins 20. Jahrhundert ist gewagt», kommentierte das «Tagblatt der Stadt Zürich» enthusiastisch nach der Eröffnung am 16. September 1899. Jelmoli präsentierte nicht nur eine moderne Fassade, sondern setzte auch im Inneren auf den «Dernier Cri» in der Produktpalette und Präsentation. Ein Inserat zur Eröffnung umschrieb das Angebot so: «Das Beste so billig als möglich zum Verkauf zu bringen. Die Preise sind auf jedem Artikel ersichtlich angebracht.» Dieses Prinzip machte aus der Käuferschaft Flaneure, die nun mit prüfendem Blick zwischen den offen präsentierten Waren wandeln und Kleidung direkt von der Stange probieren durften.
Mit der Zeit entwickelte sich Jelmoli zu einer exklusiven Adresse, die internationale Kundschaft anzog und das Stadtbild prägte. Doch neben Luxus und Konsum treten auch historische Schattenseiten zutage: Der Film beleuchtet Themen wie Antisemitismus und Kolonialismus. «Jelmoli spiegelt, wie unter einem Vergrösserungsglas, unsere politische und soziale Geschichte wider – von der Erfüllung hin zur Erschaffung von Bedürfnissen», erklärt Sabine Gisiger.
Der Film wird getragen von den Stimmen ehemaliger Angestellter, die das Warenhaus über Jahrzehnte prägten. Einige von ihnen arbeiteten 30, 40 oder sogar über 50 Jahre bei Jelmoli und bezeichnen sich stolz als «Jelmolianer». «Mich hat die grosse Verbundenheit mit dem Warenhaus berührt und wie viele interessante Erinnerungen sie damit verbinden», sagt Gisiger. Diese Erinnerungen umfassen Begegnungen an den Verkaufstheken, Mode- und Verkaufstrends sowie nostalgische Bilder eines Zürichs, das im kollektiven Gedächtnis weiterlebt.
Viele Zürcherinnen und Zürcher sowie Besucher von weiter her werden beim Anblick der historischen Produkte, Mode und Werbeclips eigene Erinnerungen an Jelmoli wiedererleben. Der Film zeigt, wie sich gesellschaftliche Veränderungen und Zeitgeist in einem traditionsreichen Warenhaus widerspiegeln. Gerade der Wandel im Konsumverhalten zwingt das Unternehmen nach 125 Jahren nun zur Schliessung.
Die Meldung schlug hohe Wellen und entfachte eine Debatte darüber, wie traditionell bedeutsame Orte den Wandel der Zeit überdauern können – oder eben nicht.
Für Zürich markiert das Ende von Jelmoli einen Einschnitt und regt zum Nachdenken darüber an, wie sich städtischer Raum und Konsumkultur in den kommenden Jahren entwickeln werden. Gisigers Film wird dann als filmisches Vermächtnis eines Ortes bleiben, der 125 Jahre als Treffpunkt, Marktplatz und Wahrzeichen die Zürcher Innenstadt bereicherte.
Premiere des Dokumentarfilms «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» am Sonntag, 17. November, um 18 Uhr im Filmpodium Zürich, in Anwesenheit der Regisseurin Sabine Gisiger sowie Cast und Crew. Weitere Vorstellungen, teils mit anschliessenden Podiumsdiskussionen, sind online auf www.filmpodium.chwww.filmpodium.chgelistet. Die Fernsehfassung wird am 9. Februar 2025 auf SRF ausgestrahlt.
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