Ärger am Horizont: Erneut streiten sich der Flughafen Zürich und Fluglärmgegner um die (Einhaltung der) Nachtruhezeiten. Bild: Zurich Airport
17.12.2024 15:13
Viel Lärm um Nachtruhe
Im letzten Jahr hat am Flughafen Zürich sowohl der nächtliche Verspätungsabbau wie die Zahl der vom Fluglärm betroffenen Personen zugenommen. Nun fordern Lärmschutzorganisationen vehement Massnahmen – die für den Flughafen wiederum grösstenteils nicht zielführend sind. - Von Sacha Beuth
Die Zahlen des kürzlich veröffentlichten Flughafenberichts 2024 (mit Daten zum Vorjahr) sprechen bezüglich der Entwicklung des Flugbetriebs am Flughafen Zürich in den nächtlichen Randstunden eine klare Sprache. So wurden für 2023 zwischen 23 und 23.30 Uhr 3181 Flugbewegungen registriert. Rund 9 pro Tag. Damit werden sogar die Vor-Corona-Zahlen von 2018 (2781 Flugbewegungen) und 2019 (2359 Bewegungen) übertroffen. Zwar dürfen in diesem Zeitfenster Flugbewegungen bewilligungsfrei durchgeführt werden. Doch ist es in erster Linie für den Verspätungsabbau vorgesehen, denn grundsätzlich gilt in Kloten – wie es unter anderem auf der Online-Seite des Kantons Zürich zu entnehmen ist – eine Flugbetriebszeit von 6 bis 23 Uhr. Allerdings sind gegenüber dem Flugplan verspätete Starts oder Landungen des gewerbsmässigen Verkehrs nach 23 Uhr während längstens 30 Minuten erlaubt. Hinzu kommen die neusten Resultate des Zürcher Fluglärm-Index ZFI. Diese besagen, dass die Zahl der nachts im Schlaf durch Fluglärm stark gestörten Personen 2023 gegenüber dem laut Flughafen noch stark von Corona geprägten 2022 auf 23 008 Personen gestiegen ist. Das entspricht einer Zunahme von gut 37 Prozent.
So wundert es wenig, dass die Ergebnisse der beiden Berichte Wasser auf die Mühlen von Fluglärmgegnern und Anwohnerschutzorganisationen wie «Fair in Air» sind. «Wir monieren diesen Missstand schon lange», betont Urs Dietschi, Vizepräsident von «Fair in Air». Aus seiner Sicht wird es darum höchste Zeit, dass zum Schutz der Bevölkerung um den Flughafen endlich Massnahmen ergriffen werden. Auch der Bund hat in dieser Angelegenheit Handlungsbedarf erkannt. In seiner neusten Version des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt SIL sieht er je nach Flugzeugtyp beziehungsweise Lärmklasse eine massive Erhöhung der Zusatzgebühr für Flugzeuge vor, die nach 23 Uhr starten. Derzeit müssen Airlines einen Zuschlag von 3000 Franken zahlen, wenn sie mit einem Flugzeug der Lärmklasse 2 nach 23 Uhr starten. Dieser Betrag soll in einem ersten Schritt auf 4000 und dann bis auf 10 000 Franken erhöht werden.
Umstellen und ausdünnen
Für Dietschi geht dies dennoch zu wenig weit. «Die Erhöhung der Gebühr müsste viel höher ausfallen, so dass es ein Verlustflug für die entsprechende Airline wird.» Im Fokus stehen bei ihm stattdessen eine Flugplanumstellung und -ausdünnung. «Es gibt Tage, da sind am Flughafen Zürich über die Pisten 32 und 34 bis zu 6 Flüge zwischen 22.40 und 22.50 Uhr vorgesehen. Wenn man bedenkt, dass Flugzeuge 1 bis 2 Minuten Distanz zueinander halten sollten, ist dieser Plan in der Realität auch über zwei Pisten unmöglich einzuhalten.» Darum müssten Langstreckenflüge früher angesetzt und notfalls auch Verbindungen gestrichen werden. Der Schutz der umliegenden Bevölkerung habe hier Vorrang, deshalb bleibe das oberste Ziel die Einhaltung der Betriebszeiten. «Dem Missbrauch muss ein Riegel vorgeschoben werden.» Zu diesem Zweck hat «Fair in Air» eine Nachtruhe-Initiative lanciert, in der die strikte Einhaltung der Nachtruhezeiten von 23 bis 6 Uhr gefordert wird und die nur in Notfällen (aber nicht generell zum Verspätungsabbau) Ausnahmen erlaubt. Die im Frühling eingereichte Initiative ist gegenwärtig beim Regierungsrat hängig. Ob es zur kantonalen Volksabstimmung kommt, ist allerdings in der Schwebe. Denn ein Rechtsgutachten, das die Organisation Pro Flughafen erstellen liess und am Dienstag präsentierte, kommt zum Schluss, dass die Initiative gegen Bundesrecht verstösst und für ungültig erklärt werden müsse.
Konfrontiert mit den Vorwürfen und Vorschlägen, verweist die Medienstelle des Flughafens Zürich darauf, dass der Bund die Hoheit über den Flugbetrieb in Zürich hat. Und dieser habe das Betriebsreglement abgesegnet, das vorsieht, dass der Flughafen täglich von 6 bis 23.30 Uhr geöffnet ist. Abgesehen davon seien viele kurzfristige Massnahmen, um den Verspätungen entgegenzuwirken wie zusätzliche Meteorologen und eine Verbesserung der Datennutzung für Abfertigungsprozesse, bereits umgesetzt worden. Dennoch findet auch der Flughafen Zürich, dass die Verspätungssituation besser werden muss. Leider würden Massnahmen mit grosser Hebelwirkung (etwa die Entflechtung von Abflugrouten oder Start 16 gerade aus bei Bise) seit Jahren in Verfahren feststecken.
Realistische Planung
Weiter begrüsst der Flughafen Zürich grundsätzlich die Erhöhung der Gebühren für Starts nach 23 Uhr. Wie weitere für den neuen SIL vorgesehene Massnahmen könnten sie eine wichtige Lenkungsabgabe sein, um Airlines dazu zu bringen, mit möglichst leisen Flugzeugen nach Zürich zu kommen und möglichst pünktlich abzuheben. Die Planung wiederum hält der Flughafen Zürich für realistisch und hält es auch nicht für zielführend, den Flugplan auszudünnen, da man «einen Auftrag des Bundes hat, die Schweiz mit der Welt zu verbinden».
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