Fehlen in Zürich: Autarke Notrufsäulen wie hier in Lantsch/Lenz (GR). PD
14.01.2025 15:20
Zürich soll sich für den Notfall besser rüsten
Die Kantone Graubünden, Thurgau und Schaffhausen wappnen sich mit autarken Notrufsäulen gegen Netzausfälle und Blackouts. In Zürich fehlt bis anhin ein Notrufsystem für den Ernstfall. - Von Ginger Hebel
Leser Ueli Zehnder aus Zürich-Oerlikon stürzte kürzlich unglücklich auf dem Nachhauseweg. Weil sein Akku leer war, konnte er keine Hilfe holen. Erst als ihn ein Passant entdeckte, rief dieser den Notruf. «Hätte sich diese Person nicht um mich gekümmert, wäre ich noch lange verletzt liegen geblieben», sagt Ueli Zehnder. Seither ist er nicht mehr gern allein unterwegs. «Was, wenn wieder der Akku leer ist oder ich mich in einem Funkloch befinde. Das beunruhigt mich.» Auch bei einem Netzausfall oder einem Blackout ist Hilfe holen unmöglich. «In Zürich fehlt ein autarkes Notrufsystem, über welches die Bevölkerung bei einem Ausfall des Telefonnetzes die Notfallorganisationen erreichen kann», sagt der Stadtzürcher SVP-Gemeinderat Reto Brüesch. Er verlangt von der Stadt, zu prüfen, wie ein flächendeckendes Notrufsystem an zentralen Lagen in den Quartieren aufgebaut werden könne.
Hilfe holen, ohne Strom
Dass Sanität, Feuerwehr und Polizei im Notfall nicht erreichbar sind, ist selten, kommt aber vor. In einer Unwetternacht im Sommer 2021 waren die Notrufnummern in weiten Teilen der Schweiz ausgefallen. Grund war eine Störung in einem Datencenter der Swisscom. Zwei Drittel der Notrufe an die Einsatzzentralen der Stadtpolizei und Schutz & Rettung Zürich erfolgen über Mobiltelefone. «Bei einem Strom- oder Systemausfall fallen die Telekommunikationsmittel aus, so dass die Leute keine Möglichkeit mehr haben, die Polizei, die Feuerwehr oder die Sanität zu alarmieren», sagt der Stadtzürcher Mitte-Gemeinderat Benedikt Gerth. «Es braucht ein Sicherheitsnetz».
Kantone wie Graubünden, Thurgau und Schaffhausen haben die Situation erkannt und Massnahmen ergriffen. Das Amt für Militär und Zivilschutz Graubünden hat in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Graubünden innovative Notrufsäulen entwickelt, welche die Kommunikation mit Rettungskräften auch ohne Strom ermöglicht. Die Säulen verfügen über integrierte batteriegestützte Polycom-Funkgeräte. Erste Gemeinden nehmen diese jetzt in Betrieb. «Eine gute Sache», findet Reto Brüesch. «Die Verwendung von Notrufsäulen spart wertvolle Zeit und erhöht die Sicherheit der Bevölkerung.»
Auch die Kantone Thurgau und Schaffhausen wappnen sich mit autarken Notrufsäulen gegen Netzausfälle. «Zürich hinkt hinterher. Es wird Zeit, dass die grösste Stadt der Schweiz die Erreichbarkeit ihrer Einsatzzentralen auch bei möglichen Ausfällen oder Krisen sicherstellt», betont Benedikt Gerth. Schutz & Rettung Zürich möchte vorerst keine Stellung nehmen, weil der Vorstoss hängig ist.
Notrufsäulen gab es früher auch am Zürcher Hauptbahnhof, diese wurden aber schon vor 16 Jahren entfernt, heute sieht man die Säulen hauptsächlich auf Autobahnen. «Viele denken, diese Säulen seien im Zeitalter von Smartphones und Internet überholt. Doch die Notrufsäule hat im Gegensatz zum Handy Vorteile. Sie baut eine direkte Verbindung mit der zuständigen Verkehrsleitzentrale auf», erklärt Gerth.
Ein unabhängiges Notrufsystem in der Stadt Zürich sei wichtig, auch deshalb, weil in den Quartieren immer mehr Polizeiwachen verschwinden. So werden die Regionalwachen Unterstrass, Affoltern und Schwamendingen ab diesem Jahr in die Regionalwache Oerlikon integriert. Gemäss Stadtpolizei hätten diese Wachen stark an Bedeutung verloren, weil Anzeigen heute auch online gemacht werden können. «Das Sicherheitsgefühl leidet darunter», sagt Reto Brüesch. «Auch darum braucht es ein flächendeckendes Notrufsystem.»
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