Grünes aus zweiter Hand
Erste Geschäfte in der Schweiz verkaufen gebrauchte Pflanzen. In Zürich stockt die Entwicklung von Pflanzenbrockis, doch die Stadt unterstützt die Idee und möchte sie weiterverfolgen. - Von Clarissa Rohrbach
Kristina Hodel (links) und Nora Hürlimann von Pflanzenbrocki in Bern würden es begrüssen, wenn in Zürich ein ähnliches Angebot mit gebrauchten Pflanzen realisiert werden könnte. Bild: PD
Erste Geschäfte in der Schweiz verkaufen gebrauchte Pflanzen. In Zürich stockt die Entwicklung von Pflanzenbrockis, doch die Stadt unterstützt die Idee und möchte sie weiterverfolgen. - Von Clarissa Rohrbach
Pflanzen ein neues Leben geben. Das machen Kristina Hodel und Nora Hürlimann in Bern. Auf dem Areal der ehemaligen Feuerwehr Viktoria führen sie seit 2022 das Pflanzenbrocki. Die Kunden bringen ihre alten Gewächse, weil sie umziehen, keinen Platz mehr haben oder diese zu schwer sind. Ob Palmlilien, Birkenfeigen oder Efeututen: Die beiden Gartenfachfrauen nehmen alles an. Sie topfen jede Pflanze um, um zu kontrollieren, ob die Wurzeln verfault sind. «Wir wollen keine kranken Pflanzen verkaufen», sagt Hürlimann. Jeden Tag kommen Kunden mit einem grünen Daumen vorbei und stöbern in der Halle, in der Hunderte von Töpfen stehen. Die Pflanzen kosten zwischen zwei und 300 Franken. Ihre Preise seien fair, sagt Hürlimann, niedriger als im Handel.
Hürlimann und Hodel lernten sich vor 20 Jahren in der damaligen Gartenbauschule in Niederlenz (AG) kennen. Nachdem sie respektive im Gartenbau und als Floristin gearbeitet hatten, suchten sie ein neues Projekt, das ihnen Sinn gibt. Da kam ihnen die Idee des Pflanzenbrockis. Viele der Gewächse, die sie entgegennehmen, seien jahrzehntelang gehegt und gepflegt worden, es sei schade, diese wegzuwerfen. Auch den Kunden tut es leid, ihre Lieblinge zu entsorgen. Oft hängen sie an den Pflanzen und erzählen, welche Geschichte dahintersteckt. «Das gefällt mir an unserem Job. Wir erfahren durch die Pflanzen viel über die Hintergründe und haben Einblick in das Leben der Menschen», sagt Hürlimann.
Doch auch der ökologische Faktor ist für die beiden Frauen entscheidend. Pflanzen aus zweiter Hand zu verkaufen, schont die Ressourcen. Jene im Supermarkt oder Gartencenter seien oft monatelang in Treibhäusern gezogen worden oder aus dem Ausland importiert, wobei viel Abgas und Verpackungsabfall anfällt. Secondhand-Pflanzen heissen aber auch, dass sie nicht perfekt sind. «Einige Gewächse haben einen knorrigen Stamm oder einen skurrilen Wuchs, das muss man akzeptieren», sagt Hürlimann. Sie sieht die Natur als Lehrmeisterin. Diese führt ihr über die Jahreszeiten hinweg den Kreislauf des Lebens vor Augen. «Vieles dreht sich in unserem Geschäft um Werden und Vergehen», sagt sie. Besonders würden sie jene Geschichten berühren, die mit dem Tod zu tun haben.
Bisher existieren in der Schweiz wenige Pflanzenbrockis, unter anderem in Davos (GR) und Basel. Im Kanton Zürich gibt es das VESO-Gartenbrockenhaus in Embrach. Dort pflegen 15 Menschen mit psychischer Beeinträchtigung die Pflanzen und verkaufen sie an die Kundschaft weiter. Laut Geschäftsleiter Diego Farrér bringen die Leute die Gewächse vorbei, wenn sie diese wegen eines Umzugs nicht mitnehmen können. Auch Unternehmen, die ihre Büros mit neuen Pflanzen ausstatten, würden nicht gebrauchte Zimmerpflanzen vorbeibringen. «Diese Menschen freuen sich, durch die Spende ihrer Pflanze nicht nur Platz zu schaffen, sondern auch gleichzeitig Arbeitsplätze zu unterstützen.» Das Gartenbrockenhaus verkauft auf 2000 Quadratmetern vor allem gebrauchte Waren. Deswegen ist der Umsatz mit Pflanzen relativ klein. Pro Monat würden laut Farrér rund 20 Pflanzen ihren Besitzer wechseln. Vom jährlichen Gesamtumsatz von 200 000 Franken machen die Pflanzen 5000 bis 10 000 Franken aus. «Ich könnte mir vorstellen, dass das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Wiederverwertung auch das Interesse an gebrauchten Pflanzen fördern könnte», sagt Farrér. Vor allem in städtischen Gebieten wie Zürich, wo viele umweltbewusste Menschen leben, könnte der Trend der Pflanzenbrockis Fuss fassen.
Im fortschrittlichen Zürich stösst das Geschäftsmodell jedoch auf Skepsis. «Für uns ist ein Pflanzenbrocki keine Option, das ist eine andere Geschäftssparte», sagt Carla Boschung, Geschäftsleiterin der Pflanzerei am Limmatplatz. Sie könne sich vorstellen, dass es anderen Geschäften in der Stadt auch so gehe. Einzig im Arche Brockenhaus in Altstetten werden gebrauchte Pflanzen angeboten. Diese bringen Kunden von Räumungen vorbei. «Wenn wir Pflanzen im Angebot haben, verkaufen sie sich gut», sagt Petra Züger vom Brockenhaus. Doch wenn es keine gibt, würden die Kunden eher selten danach fragen. Die Preise seien unterschiedlich. Man habe Gewächse für drei Franken verkauft, aber auch schon einen Bonsai für 560 Franken. Zudem gibt es im Arche Brockenhaus einen Setzlingsmarkt.
Die Stadt Zürich zeigt Interesse am Konzept eines Pflanzenbrockis. «Dass alte Pflanzen nicht einfach weggeworfen werden, finden wir sinnvoll und freut uns», sagt Markus Gamper, Sprecher von Grün Stadt Zürich. Die Stadtgärtnerei werde im Einklang mit der städtischen Zielsetzung Netto-Null CO₂ und der Kreislaufwirtschaft neu positioniert. In diesem Sinn stosse die Idee eines Pflanzenbrockis auf grosse Sympathie. Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass in die Produktionsbetriebe keine Schadinsekten von aussen eingebracht werden. «Ein Angebot im Sinne einer Plattform für Secondhand-Pflanzen wäre für uns aber im Rahmen von Märkten im Freien denkbar», sagt Gamper. Konkret habe man noch nichts geplant, doch man werde die Thematik weiterverfolgen.
Nora Hürlimann vom Pflanzenbrocki in Bern gibt sich hoffnungsvoll. «Ich hoffe, dass auch in Zürich die Idee eines Pflanzenbrockis auf Interesse stösst. Das wäre sehr schön», sagt sie.
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