Zürcher Widerstandszellen
Mit der städtebaulichen Verdichtung häuft sich in den Stadtquartieren der Widerstand gegen Ersatzneubauten, Totalsanierungen und Leerkündigungen. Eine kleine Konflikt-Auswahl. - Von Jan Strobel
Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnsiedlung Heuried überreichten im August 2023 dem Stadtrat über 6300 Unterschriften gegen den Abriss der Liegenschaften. Bild: wirbleibenheuried.ch
Mit der städtebaulichen Verdichtung häuft sich in den Stadtquartieren der Widerstand gegen Ersatzneubauten, Totalsanierungen und Leerkündigungen. Eine kleine Konflikt-Auswahl. - Von Jan Strobel
Für manche Zürcherinnen und Zürcher ist die Liste der Baugesuche, die jeden Mittwoch im «Tagblatt» publiziert wird, mehr als nur eine profane, amtliche Bekanntmachung. Sie erzählt vielmehr vom Umbruch, den besonders die Zürcher Aussenquartiere derzeit erleben. Hinter dem simplen Eintrag eines Neubauprojekts oder einer Totalsanierung verbergen sich mitunter persönliche Schicksale, bei denen Verdichtung zur Verdrängung wird. Meistens spielt sich das im Hintergrund ab, fernab jeglicher medialen Öffentlichkeit; immer wieder allerdings proben Mieterinnen und Mieter den Aufstand, wie im aktuellen Fall der «Sugus-Häuser» im Kreis 5, bei dem selbst Stadtpräsidentin Corine Mauch mit ihrem Vermittlungsversuch gegen die «Herzlos-Kündigungen» auf eisernes Schweigen seitens der Eigentümerin stiess («Tagblatt» vom 12.3.). Während der letzten Jahre häufte sich der selbstorganisierte Widerstand, Hand in Hand mit den Umwälzungen in den Stadtquartieren.
Als die Stiftung Gemeinnützige Gesellschaft Neumünster (GGN) ihre Abriss- und Ersatzneubaupläne für die Wohnsiedlung an der Hofackerstrasse mit ihren 46 Wohnungen publik machte, protestierten betroffene Mieter auf der Münsterbrücke gegen den Abriss und überreichten dem Stadtrat eine Petition mit über 3600 Unterschriften. Die Rede war von einem «Kahlschlag bei günstigen Wohnungen». Der Vorwurf lautete, der Stiftung gehe es nur «um Profit und Rentabilität». Die protestierenden Mieter schlossen sich zur Interessengemeinschaft Hofacker zusammen – mit Unterstützung der SP, der AL, der Grünen und des Mieterverbands. Tatsächlich suchte die Stadt das Gespräch mit der GGN. Die Häuser sollten saniert und nicht abgerissen werden. Die Intervention fruchtete jedoch nicht. Im Oktober 2020 begann der Abriss der 90 Jahre alten Wohnsiedlung. Die IG Hofacker blieb auch danach aktiv. 2023 organisierte sie etwa einen «Themenspaziergang» gegen die «Zerstörung unserer Quartiere».
Ein Brennpunkt im Konflikt zwischen Verdichtung und Verdrängung bildet auch das Quartier Witikon. 2023 kam es zum Protest gegen die Ersatzneubaupläne der Siedlung «Im Glockenacker» an der Witikonerstrasse. Die Siedlung mit ihren 101 Wohnungen war in den 1950er-Jahren unter der Ägide des Unternehmers Jean Vannini errichtet worden. Nun plante die Eigentümerin Erika Forster-Vannini, die Tochter von Jean Vannini, verdichtete Ersatzneubauten mit 177 Wohnungen. Mieterinnen und Mieter wehrten sich mit einer Petition. Sie forderten die Etappierung der Ersatzneubauten, die Bereitstellung von Ersatzwohnungen und die Vermeidung von Härtefällen bei den Kündigungen. Forster-Vannini verteidigte die Abbruchpläne: Eine weitere Sanierung mache aus «bauphysikalischen und energetischen Gründen» keinen Sinn. Und sie kritisierte die gestiegenen Hürden und Auflagen für Neubauten, etwa beim Lärmschutz. Dies führe zu Verzögerungen und treibe die Kosten in die Höhe. Der Widerstand blieb ohne Erfolg.
Geschockt reagierten die Mieterinnen und Mieter von 39 Wohnungen an der Kurfürsten- und Scheideggstrasse in Wollishofen auf den angekündigten Verkauf der Siedlung mit sechs Mehrfamilienhäusern. Die Bewohner fürchteten den Verlust ihres Zuhauses zugunsten einer «profitmaximierenden Verdichtung». Dem Stadtrat überreichten sie die Petition «Verdrängung stoppen! Für eine lebendige, durchmischte Stadt Zürich» mit 4400 Unterschriften und der Forderung, der Stadtrat solle sich «entschlossen an die Seite von Mietergruppen stellen». Zudem sollten die Eigentümer der Liegenschaften in Wollishofen an die mitbietende Stadt Zürich oder gemeinnützige Wohnbauträger verkaufen. Im April 2024 kam es zum Durchbruch: Die Stadt kaufte die sechs Wohnhäuser für 58,1 Millionen Franken.
Die Wohnsiedlung Heuried-Küngenmatt in Wiedikon mit ihren 108 Wohnungen soll einer Neubausiedlung mit 149 Wohnungen weichen. So plante es die CS (heute UBS) als Eigentümerin. 2023 wehrte sich die Mieterschaft mit einer Petition. Ein Abbruch der Häuser sei «widersinnig» und vernichte bezahlbaren Wohnraum. Die Siedlung sei zudem in den letzten Jahren mehrfach saniert und ausgebaut worden. Wie im Fall der Scheideggstrasse in Wollishofen forderten auch die Bewohner im Heuried den Verkauf der Mehrfamilienhäuser an die Stadt oder die Stiftung für die Erhaltung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum der Stadt Zürich (PWG). Auch SP-Nationalrätin Jacqueline Badran schaltete sich in die Diskussion ein. Sie kritisierte den Abriss der Wohnungen als «reine Bilanz-Pimperei» und warf der Bank vor, die Rendite über das Wohl der Mieter zu stellen. Die UBS hingegen sieht die 41 zusätzlichen Wohnungen des Ersatzneubaus als «Beitrag gegen die Wohnungsnot in Zürich». Im Oktober 2024 erteilte die Stadt der UBS die Baubewilligung, doch der Baustart verzögert sich aufgrund von Rekursen. Die UBS rechnet mit einem Baubeginn ab Herbst 2026.
Ein Konflikt zeichnet sich rund um die Ersatzneubaupläne des Generalunternehmens Halter für die Wohnsiedlung an der Baslerstrasse neben dem Letzipark ab. Die Häuser sollen einer neuen Wohnsiedlung «Letzigarten» mit 60-Meter-Hochhaus weichen. Anstelle der aktuellen 317 Wohnungen sollen so 376 neue geschaffen werden. Der aktuellen Mieterschaft wurde etappiert bereits auf Ende September 2025 bzw. September 2027 gekündigt. Ein Mieterplenum startete zusammen mit der AL im Februar eine Petition. Zwar sei die Etappierung des Bauvorhabens zu begrüssen, allerdings fehle das Bekenntnis der Eigentümerschaft, ein den finanziellen Verhältnissen der Mieter angepasstes Mietangebot zu unterbreiten, so der Vorwurf. Bereits im Mai 2024 hatte die AL im Gemeinderat eine Dringliche Schriftliche Anfrage zum «Letzigarten» eingereicht. Die Stadt machte aber deutlich, dass sie keine gesetzliche Grundlage für das Einwirken auf private Mietzinse habe.
Im Mai 2024 erhielten die 18 Mietparteien an der Viktoriastrasse 13 und 15 die Kündigung. Die beiden Mehrfamilienhäuser, 2009 aufgestockt und später saniert, sollen abgerissen und durch einen Ersatzneubau mehr Wohnungen geschaffen werden, argumentiert die Eigentümerschaft. Auch an der Viktoriastrasse wehren sich die Mieterinnen und Mieter aktuell mit einer Petition für die Verlängerung des Auszugsdatums über September 2025 hinaus. Grundsätzlich widerspreche ein Abriss der Häuser den «Prinzipien nachhaltigen Bauens» und sei schwer nachvollziehbar, so die Petitionäre. Das Projekt ziele auf eine «finanzkräftige Mieterschaft», für die weder der Quartierbezug noch sozialer Zusammenhalt prioritär sei.
Projekt Letzigarten: Ich bin zZ. noch Bewohner einer Wohnung in dem Abbruchgebäude, Was ich absolut unpassend finde, ist die Respektlosigkeit resp. der Ton, mit welchem Mitarbeitende der Halter mit ihren Mietern umgehen (Nur zur Information: Ich habe Ius studiert, kenne die rechtlichen Bestimmungen vermutlich besser als die KV-Mitarbeitenden der Halter), und andere Mieter sind auch keine Trottel.
Zoe antwortenLade Fotos..