Auch für Zürich sinnvoll? «Positive Tickets» in Kanada als Belohnung für vorbildliches Verhalten im öffentlichen Raum. Bild: Screenshot Youtube
25.03.2025 15:14
Keine Lust auf Belohnung
In Kanada verteilt die Polizei seit einiger Zeit nicht nur Bussen bei Gesetzesübertretungen, sondern auch Gutscheine für vorbildliches Verhalten. Bei der Frage, ob man solche «Positive Tickets» auch in der Stadt Zürich einführen sollte, geben sich Sicherheitsdepartement und Politparteien äusserst zurückhaltend. - Von Sacha Beuth
Vor wenigen Wochen publizierte das TV-Magazin «Galileo» auf ProSieben einen Bericht, der Aufhorchen lässt: In der kanadischen Gemeinde Richmond nahe Vancouver verteilt die dortige Polizei seit 2008 nicht nur Bussen («Tickets») bei Gesetzesübertretungen, sondern belohnt auch vorbildliches Verhalten im öffentlichen Raum mit Gutscheinen, sogenannten «Positive Tickets». Diese beinhalten den kostenlosen Zugang beziehungsweise die Gratis-Nutzung für Schwimmbäder, Eislaufhallen, Fitnesscentern und Minigolfanlagen. In anderen kanadischen Gemeinden kann man die Gutscheine für Pizza, Glacé, Softdrinks oder eine heisse Schokolade eintauschen – je nachdem, ob die «Positive Tickets» von der Gemeinde oder von Privaten gesponsort werden.
Konkret belohnt werden damit Personen, die beispielsweise vor dem Überqueren einer Strasse brav nach links und rechts schauen, einer betagten Person beim Aussteigen aus dem Bus helfen oder zum Velofahren einen Helm tragen. Ein Anspruch auf ein «Positive Ticket» besteht nicht. Die Vergabe liegt einzig im Ermessen des betreffenden Streifenpolizisten.
Das Konzept ist ein Erfolg für alle Beteiligten. So konnten mit den «Positive Tickets» die Unfallrisiken und die Zahl der Gesetzesübertretungen gesenkt werden. Die Jugendkriminalität ging in den teilnehmenden Gemeinden um bis 50 Prozent zurück. Zudem hat sich nach Aussagen der Polizisten deren Verhältnis zur Bevölkerung durch die «Positive Tickets» verbessert, was wiederum einen positiven Einfluss auf die Psyche der Gesetzeshüter habe.
Viele Fragezeichen
Nun stellt sich die Frage, warum nicht auch in Zürich «Positive Tickets» eingeführt werden. Die Idee, zu belohnen statt immer nur zu bestrafen, müsste doch gerade bei progressiven Partei- und Behördenvertretern auf fruchtbaren Boden stossen. Doch die Lust darauf ist offenbar nicht besonders gross. «Ein ausgebautes Belohnungssystem, wie es hier aus Kanada beschreiben ist, ist im Moment für die Stadtpolizei Zürich nicht geplant. Auch gibt es keine politische Vorstösse, die ein solches System verlangen. Im Kleinen setzt aber auch die Stadtpolizei Zürich auf Belohnungen. So kommt es vor, dass im Zusammenhang mit Verkehrskontrollen an neuralgischen Orten – zum Beispiel bei Schulhäusern – nebst Flyern kleine Präsente in Form von Traubenzuckern abgegeben werden, um korrektes Verhalten zu belohnen», schreibt das Sicherheitsdepartement. Von den angefragten Parteien zeigen einzig die Grünliberalen und die FDP etwas Interesse. «Generell finden wir Anreizsysteme gut, vor allem, wenn sie mit einem positiven Gefühl konnotiert sind. Aber im Detail haben wir diese konkrete Idee noch nicht diskutiert», erklärt Nicolas Cavalli, Gemeinderat und Co-Präsident GLP Stadt Zürich. Zudem müsse die Frage der Finanzierung geklärt werden und ob statt der Polizei nicht besser «andere Stellen», etwa die SIP, die «Positive Tickets» verteilen sollten. Die FDP Stadt Zürich lässt im Namen von Geschäftsführer Ron Weinstock ausrichten, dass man den «Ansatz sympathisch finde», aber der Meinung sein, dass dies nicht zur Kernaufgabe der Polizei gehöre und vor allem nicht durch den Steuerzahler finanziert werden sollte. Die Grünen hingegen zweifeln, dass solche Gutscheine einen «grossen Beitrag» zum gesellschaftlichen Zusammenhalt über alle Gesellschaftsschichten leisten können und stehen dem Konzept kritisch gegenüber. Besonders zurückhaltend gibt sich die SP, die ausrichten lässt, dass man sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt habe und darum keine Stellung dazu nehmen könne. Derweil lehnt die SVP die Idee klar ab. Sie zweifelt, ob ein solches Belohnungssystem einen messbaren positiven Einfluss mit sich bringen und der Mehraufwand die Kosten rechtfertigen würde. Sie sieht darin sogar eine Vorstufe des «chinesischen Überwachungsstaates», wo positives und negatives Verhalten in Form von Punkten festgehalten wird und Einfluss etwa auf Job- und Wohnungssuche haben kann.
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