Ein Komitee zündet den Kampf für die Werbebranche
Geht es nach einer Mehrheit im Gemeinderat, soll Zürich dunkler werden – zumindest werbetechnisch. Jetzt bläst Medienprofi Matthias Ackeret zum Angriff. - Von Jan Strobel
Besonders digitale Werbeträger sollen aus dem Stadtbild verbannt werden. Bild: BAZ, Juliet Haller
Geht es nach einer Mehrheit im Gemeinderat, soll Zürich dunkler werden – zumindest werbetechnisch. Jetzt bläst Medienprofi Matthias Ackeret zum Angriff. - Von Jan Strobel
Matthias Ackeret, Publizist und Medienprofi, hat sich eine Mission auf die Fahnen geschrieben: Zürich soll leuchten. Das ist natürlich nicht spirituell oder künstlerisch gemeint; Ackeret hat sich vielmehr daran gemacht, die Schweizer Werbebranche vor einer Entwicklung zu retten, die am vergangenen 19. März einen vorläufigen Höhepunkt erreichte – es ist ein Datum, das Matthias Ackeret als einen «schwarzen Tag» bezeichnet.
Am 19.März beschloss eine hauchdünne Mehrheit im Stadtzürcher Gemeinderat, Plakatwerbung auf öffentlichem und privatem Grund stark einzuschränken oder zu verbieten. Hintergrund ist eine Motion der AL-Fraktion. Sie verlangt eine «deutliche Reduktion der Reklameflächen». Künftig sollen nur noch Beschriftungen von Geschäften vor Ort, Werbung für lokale Veranstaltungen, für unkommerzielle Angebote oder Informationen der öffentlichen Hand erlaubt sein. Ausgeschlossen von einem Verbot ist – wenig überraschend – auch die politische Werbung zum «Zwecke der politischen Meinungsbildung», wie es in der Motion heisst. Besonders digitale Reklamebildschirme mit dynamischem Inhalt sollen aus dem Stadtbild verschwinden. Während bei Druckerzeugnissen mit störender Werbung die Möglichkeit bestehe, auf die Lektüre zu verzichten, geschehe im öffentlichen Raum «die Aussetzung gegenüber Werbung» unfreiwillig. Unterstützt wird der Vorstoss von AL, Grünen und SP. FDP, SVP, GLP, Mitte und EVP lehnten die Motion ab («Tagblatt» vom 26.3.).
Werbung bringe «zahlreiche negative gesellschaftliche Folgen mit sich», ist die AL überzeugt. Insbesondere heize sie «die Konsumkultur» an, «und damit einhergehend auch den Ressourcenverbrauch und somit die fortschreitende Umweltzerstörung und die globale Erwärmung», heisst es im Text zum Vorstoss weiter. Ein besonderer Dorn im Auge ist der AL Werbung für Billig-Flugreisen oder sogenannte «Fast Fashion» – Kleidung, die schnell und billig zum Beispiel in Asien produziert wird.
Für Matthias Ackeret – Verleger von «persönlich», dem Magazin für Kommunikation und Werbung – hat der Entscheid des Gemeinderats «das Fass zum Überlaufen» gebracht. Für ihn folgt der Vorstoss einem ideologisch verbrämten Zeitgeist der politischen «Bevormundung» und einer überbordenden «Verbotskultur». «Vor zwanzig Jahren wäre eine derart weitgehende Werbekritik als absurd erachtet worden. Heute ist sie offenbar mehrheitsfähig», sagt Matthias Ackeret. Plakatverbote, ist er überzeugt, seien auch ein «Zeichen einer um sich greifenden Intoleranz und Lebensfeindlichkeit». Der Vorstoss spreche den Zürcherinnen und Zürchern ihre Mündigkeit ab, so Ackeret. Und: «Der Entscheid des Gemeinderats ist ein Angriff auf die wirtschaftsfreundlichste Stadt der Schweiz. Hier wird ohne Not eine ganze Branche zum toxischen Umfeld erklärt. Vergessen geht dabei, dass die grössten Anbieter von Aussenwerbung der Schweiz überaus wichtige und prominente Steuerzahler für die Stadt Zürich sind.»
Bereits einen Tag nach dem Entscheid des Gemeinderats gründeten Matthias Ackeret und weitere Mitstreiter das Komitee «Zürich soll leuchten», um im wahrsten Sinn des Worts ein öffentlichkeitswirksames «Zeichen zu setzen». Für das Komitee würde ein Plakatverbot, wie es AL, Grüne und SP anstreben, zahlreiche Arbeitsplätze in der Werbe- und Druckbranche gefährden. Darüber hinaus wären besonders KMU betroffen, so Matthias Ackeret. Sie würden einen wichtigen Kanal verlieren, um auf ihre Anliegen und Aktivitäten aufmerksam zu machen. 63 Prozent aller Aussenwerbekunden seien KMU, die ihr Geld in der freien Wirtschaft verdienen.
Für Matthias Ackeret werden ausgerechnet durch eine rot-grüne Mehrheit nicht allein Arbeitnehmende und KMU ins Visier genommen; selbst die VBZ würden Werbebeschränkungen empfindlich treffen, unterstreicht der Publizist. «Rund 28 Millionen Franken, die jährlich durch Plakatwerbung in der Stadt Zürich erwirtschaftet werden, fliessen unter anderem durch die Vermietung von Werbeplätzen direkt an die VBZ.» Sollte sich ein Plakatverbot in der Stadt Zürich tatsächlich durchsetzen, ist für Matthias Ackeret eine Entwicklung klar: «Unternehmen würden mit ihrer Werbung einfach noch stärker in den digitalen Raum und auf soziale Netzwerke ausweichen. Google und anderen Tech-Giganten ist es schlicht gleichgültig, was ein Lokalparlament beschliesst.»
«Bislang unterstützen rund 1500 Personen, auch ausserhalb Zürichs und der Branche, das Komitee», sagt Matthias Ackeret. «Das ist eine beachtliche Unmutsbekundung, die über die Parteigrenzen hinausgeht.» Er hofft, dass sich der Stadtrat bewusst ist, welchen Stellenwert die Aussenwerbung für Zürich mit einer der weltweit grössten Plakatsammlungen überhaupt habe.
Die Stadtregierung hatte sich bereits vergangenen September gegen ein generelles Verbot für kommerzielle Werbung auf öffentlichem sowie privatem Grund ausgesprochen und sprach von einem «wirtschaftspolitisch harten Eingriff», der für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Zürich «kontraproduktiv» und «nicht zielführend» sei.
«Ich bin mir sicher, dass der Stadtrat nicht so weit gehen wird, wie sich das AL, Grüne und SP wünschen; dennoch befürchte ich, dass am Ende digitale Werbeanlagen in der Stadt verboten werden.» Bereits letztes Jahr hatte der Stadtrat aus Gründen des Energieverbrauchs und der Nachhaltigkeit einen Ausbaustopp solcher Anlagen bis 2030 angeordnet.
Weitere Informationen:zuerichsollleuchten.com
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