Nach Mekka gerichtet: Muslimische Gräber (hier auf dem Friedhof Witikon) sorgen bei der SVP für kritische Fragen. Bild: PD
30.04.2025 10:02
Kritische Fragen zu muslimischen Gräbern
Die muslimischen Gräber in den städtischen Friedhöfen sind immer beliebter. Nun kritisiert die SVP, dass Muslime eine Sonderbehandlung erhalten. Die Diskussion dauert schon seit 20 Jahren. - Von Clarissa Rohrbach
«Der Islam gehört zur Schweiz.» Dies sagte die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr kürzlich in einem Interview in der «NZZ». Auch die muslimische Religionsgemeinschaft solle Steuergelder erhalten, plädierte sie. Zurzeit leben im Kanton 100 000 Muslime, das macht zehn Prozent der Bevölkerung aus. Schweizweit sind es laut Bundesamt für Statistik (BfS) rund 455 000, also fünf Prozent. Die wachsende Akzeptanz dieser Minderheit zeigt sich auch bei den Bestattungen. In immer mehr Städten entstehen muslimische Gräber. Im ganzen Land gibt es zurzeit 36 Grabfelder für Muslime. Die Religion schreibt vor, dass die Gräber nach Mekka ausgerichtet sind, dass der Leichnam rituell gewaschen wird und dass dieser in einem Tuch eingewickelt auf der rechten Seite liegend begraben wird. Auch ewige Grabruhe wird vorgeschrieben.
Auch in der Stadt Zürich gibt es auf den Friedhöfen Witikon und Eichbühl muslimische Gräber. Laut Sebastian Hos, Sprecher des Präsidialdepartements, sind zurzeit 333 Erwachsene, 180 Kinder und 50 Sternenkinder in der Stadt begraben. Dazu kämen 60 Familien-Mietgräber. Laut Sebastian Hos steigt die Nachfrage stetig. «Die ältere Generation lässt sich für die Bestattung oft in die Heimat überführen, doch die jüngere Generation und die muslimischen Kinder werden meistens hier beerdigt.» Zudem würden auch Muslimen aus anderen Gemeinden in der Stadt begraben. 31 Gemeinden im Kanton hätten einen Anschlussvertrag mit der Stadt Zürich abgeschlossen, um Muslimen eine islamische Beerdigung auf Stadtgebiet zu ermöglichen.
Platz auf Grabfeldern?
Dass man damit auf die Kapazitätsgrenze stösst, beschäftigt SVP-Gemeinderat Samuel Balsiger. Er hat zusammen mit Michele Romagnolo (SVP) eine Schriftliche Anfrage eingereicht, die vom Stadtrat wissen will, was passiere, wenn es keinen Platz mehr auf den Grabfeldern gäbe. Balsiger und Romagnolo sprechen in ihrem Vorstoss auch von einer Sonderbehandlung für Muslime. So sei im Islam die ewige Grabesruhe garantiert, während die Gräber von Christen und Atheisten nach 20 Jahren aufgehoben würden. Dazu käme, dass die jüdische Gemeinde ihre Friedhöfe selber finanzieren, während Muslime keine Gegenleistung für die Gräber bringen. Hinterfragt wird auch der Anschlussvertrag der 31 Gemeinden von ausserhalb. Die Politiker wollen wissen, wer für die Kosten aufkommt und wie viele Gemeinden diese Möglichkeit nutzen.
Die Stadt will die Antworten auf die Schriftliche Anfrage nicht vorwegnehmen. Doch Sebastian Hos klärt auf, dass auch muslimische Gräber nach der obligatorischen Ruhefrist von 20 Jahren geräumt würden, also keine garantierte ewige Grabesruhe in den städtischen Friedhöfen bestehe. Die Stadt hält zudem auf ihrer Webseite fest, dass auch Muslime in einem Sarg begraben werden. Das Grab kostet zudem 99 Franken pro Jahr für den Unterhalt.
In rechten Kreisen wie der SVP hat der Widerstand gegen muslimische Gräber Tradition. So hatten sich Politiker in St. Gallen gegen das aktuelle Friedhofsgesetz gesperrt, das es den Gemeinden erlaubt, Grabfelder für Muslime abzugrenzen. In Luzern hatte die junge SVP die Aufhebung der Grabfelder verlangt, und in Lausanne hatte die SVP eine Petition lanciert, um das Projekt zu verhindern. In Weinfelden/TG wird am 18. Mai sogar darüber abgestimmt. Der Thurgauer EDU-Kantonsrat Lukas Madörin hatte das Referendum gegen einen Beschluss des Stadtparlaments ergriffen, weil angeblich die religiöse Neutralität auf dem Friedhof bestehe und der Islam zudem bei vielen Leuten ein «gewisses Unbehagen auslöse».
Spezialwünsche bei allen
Laut Pfarrer Christoph Sigrist, Professor für Diakonie an der Universität Zürich und Präsident der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS), habe das terroristische Attentat in New York im Jahr 2001 die allgemeine Islamophobie verstärkt. Dazu kämen die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. «Wir kämpfen seit 20 Jahren für muslimische Gräber, und die Diskussion ist immer noch dieselbe», so Christoph Sigrist. Muslime würden zur Stadt gehören, der Friedhof widerspiegele diese Vielfalt auch im Tod. Es sei ein wichtiger Akt der Inklusion in einer pluralen Gesellschaft, Muslimen diese Möglichkeit zu geben. «Die Friedhöfen in der Stadt sind für jede und jeden», sagt Sigrist, «man muss Minderheiten schützen und respektieren, von der Wiege bis zur Bahre. Das setzt die Stadt gut um.»
Christoph Sigrist ist überzeugt, dass die Anliegen der Muslimen bei den Bestattungen nicht besonders herausstechen würden. «Ich habe erlebt, dass Menschen aller Religionen spezielle Wünsche bei der Beerdigung haben.» So wollten Katholiken den Sarg mit Weihwasser bespritzen oder Buddhisten bei der Kremation dabei sein. Laut Christoph Sigrist entspricht es der Normalität in den Friedhöfen spezielle Rituale durchzuführen. Ausserdem biete die Stadt bereits Themengräber an, wie zum Beispiel ein Rebstock-Grab oder ein Regenbogen-Grab für queere Menschen. «Es ist in der Verfassung festgehalten, dass jeder Verstorbene so beerdigt wird, wie er es will. Das ist ein Menschenrecht.» Er sieht darin keine Privilegierung, wie es die SVP bemängelt. Es sei schade, dass eine Minderheit, wie die Muslimen, politisch so instrumentalisiert würde.