Als Brückenbauer unterwegs zwischen Stadt und Land
Der Stadtzürcher Beat Habegger wird am kommenden Montag mit grösster Wahrscheinlichkeit zum «höchsten Zürcher» gewählt. Er will das Parlament der Bevölkerung näher bringen. - VonChristian Saggese
Beat Habegger wird am Montag voraussichtlich Präsident des Kantonsrats. PD
Der Stadtzürcher Beat Habegger wird am kommenden Montag mit grösster Wahrscheinlichkeit zum «höchsten Zürcher» gewählt. Er will das Parlament der Bevölkerung näher bringen. - VonChristian Saggese
Nach dem gesundheitsbedingten Rücktritt von Martin Farner im Januar wählte der Kantonsrat als dessen Nachfolger den Stadtzürcher FDP-Politiker Beat Habegger deutlich zum 1. Vizepräsidenten. Der 49-jährige Vater zweier Töchter vertritt seit 2015 die Stadtkreise 11 und 12 im Parlament, ist Mitglied der Parteileitung der FDP Stadt Zürich und arbeitet als Professor sowie Co-Institutsleiter an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW.
Nun steht Beat Habegger vor dem nächsten politischen Karriereschritt: Am kommenden Montag dürfte er mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Präsidenten des Kantonsrats gewählt werden. Die öffentliche Wahlfeier findet anschliessend von 16 bis 17.40 Uhr in der Giesserei Oerlikon statt.
Nach nur wenigen Monaten als 1. Vizepräsident stehen Sie bereits vor dem nächsten Schritt: dem Präsidium. Wie erleben Sie diesen rasanten Aufstieg?
Beat Habegger: Nach zehn Jahren im Kantonsrat bin ich kein Neuling mehr. Klar, alles ging rasch, aber ich kenne die Abläufe und die Menschen und fühle mich bestens gerüstet für das Amt.
Ein bürgerlich-liberaler FDP-Politiker aus der rot-grünen Stadt Zürich – sind Sie damit die perfekte «neutrale» Mischung für das Kantonsratspräsidium?
Die Parteipolitik steht beim Kantonsratspräsidium nicht im Vordergrund. Es geht dennoch nicht um «Neutralität», sondern um die Fähigkeit, alle Meinungen gleichermassen zu respektieren und eine faire politische Debatte zu ermöglichen.
Wie aber möchten Sie die Debattenkultur im Kantonsrat fördern – gerade in Zeiten zunehmender Polarisierung?
Ich erlebe den Kantonsrat insgesamt als ein diskussionsfreudiges Parlament, in dem trotz aller politischen Differenzen respektvoll miteinander umgegangen wird. Diese Kultur möchte ich in meinem Amtsjahr weiter pflegen.
Wie möchten Sie Ihr Amt als Präsident gestalten? Und in welchen Punkten werden Sie sich von Ihrem Vorgänger Jürg Sulser unterscheiden?
Jede Person bringt ihre Persönlichkeit und ihren Stil in das Amt ein. Ich habe Jürg Sulsers bodenständige und empathische Art sehr geschätzt. Ich werde meinen eigenen Weg finden.
Welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen politischen Laufbahn möchten Sie besonders in Ihre neue Rolle einbringen?
Neben meiner grossen parlamentarischen Erfahrung zeichnet mich die Fähigkeit aus, über alle politischen Grenzen mit den Ratsmitgliedern zusammenzuarbeiten. Zudem ist für mich der Kompromiss kein Zeichen von Schwäche, sondern eine politische Tugend. Was in der Familie oder im Wirtschafts- und Berufsleben notwendig ist, kann in der Politik nicht falsch sein.
Was bedeutet Ihnen das Amt des Kantonsratspräsidenten ganz persönlich?
Für mich ist das Präsidium eine Chance, die Bedeutung des Parlaments für eine freie und demokratische Gesellschaft herauszustreichen. Zudem will ich auch den Dialog über die Kantonsgrenzen hinaus pflegen und vertiefen.
Wo sehen Sie aktuell die grössten Herausforderungen im Kanton?
Grundsätzlich sollten wir mehr Vertrauen wagen in die Urteilsfähigkeit der Menschen und weniger regulieren bis in alle Details. Zweitens müssen wir gerade in den Städten den Wohnungsbau ankurbeln. Drittens sollten wir mehr dort investieren, wo es in Zukunft Ertrag abwirft – etwa in Bildung, Forschung und Innovationskraft – und weniger Geld von einer Tasche in die andere verschieben. Viertens: nie nachlassen bei der Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts – eine aktuelle Gelegenheit bietet die Abstimmung vom 18. Mai.
Das Verhältnis zwischen Stadt und Kanton ist angespannt – zuletzt etwa wegen der Mobilitätsini-tiative. Wie wollen Sie zur Überwindung des Stadt-Land-Grabens beitragen?
Zur Vielfalt der Schweiz gehört das Miteinander von Stadt und Land. Lebensstile und Bedürfnisse sind halt nicht überall dieselben. Als Städter durch und durch werbe ich deshalb im liberalen Geiste für gegenseitigen Respekt und Toleranz. Die Landgemeinden müssen den Städten auch Dinge erlauben, die sie vielleicht für überflüssig halten. Die Stadt Zürich wiederum ist halt keine Insel, auf der sie tun kann, was sie will; dafür spielt sie eine zu wichtige Rolle für den ganzen Kanton.
Gibt es konkrete Ideen, wie der Kantonsrat für die Bevölkerung greifbarer oder zugänglicher werden könnte?
Der Kantonsrat muss tatsächlich näher zu den Leuten. Deshalb starte ich den «Blog vom Bock» – so nennen wir im Politjargon das dreiköpfige Präsidium. Auf diesem Blog werde ich nicht nur über die Arbeit des Kantonsrats berichten, sondern zahlreiche Blicke hinter die Kulissen der Ratstätigkeit ermöglichen. Ich bin gespannt auf das Interesse.
Sie selbst werden als Präsident an mehr Anlässen sein. Sind Sie ein «Cüpli-Typ»?
Ich bin ein «Menschen-Typ». Mir gefällt es, mich mit unterschiedlichen Personen zu treffen, auszutauschen und voneinander etwas zu lernen. Insofern freue ich mich auf viele interessante Gespräche in meinem Amtsjahr.
Weitere Informationen:
Wahlfeier (unter Vorbehalt der Wahl) am Montag, 5. Mai, 16–17.40 Uhr in der Giesserei Oerlikon, Birchstr. 108. Es sprechen nebst Beat Habegger auch Stadtpräsidentin Corine Mauch und Regierungspräsident Martin Neukom.
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