Wohin mit dem Lastenvelo?
Cargo-Bikes werden immer beliebter. Doch in der Stadt Zürich fehlt es an Abstellplätzen. Pro Velo fordert, dass Autos Platz machen. Dies stösst auf Widerstand. - Von Clarissa Rohrbach
Lastenvelos versperren das Trottoir. Pro Velo fordert mehr Abstellplätze. CLA
Cargo-Bikes werden immer beliebter. Doch in der Stadt Zürich fehlt es an Abstellplätzen. Pro Velo fordert, dass Autos Platz machen. Dies stösst auf Widerstand. - Von Clarissa Rohrbach
Die Zürcherinnen und Zürcher satteln um. Lastenvelos, sogenannte Cargo-Bikes, werden in der Stadt immer beliebter. In der Transportschale der Velos können Waren oder Kinder transportiert werden. Pro Jahr werden in Zürich 200 Lastenvelos gekauft, schweizweit sind es rund 5000. Der Bund will mit verschiedenen Änderungen das Potenzial von Lastenvelos besser ausschöpfen. So beträgt ab dem 1. Juli das zugelassene Gesamtgewicht für 25-km/h-Cargo-Bikes 450 Kilogramm statt bisher 200 Kilogramm. Neu dürfen auch vier Kinder statt zwei transportiert werden, wenn speziell geschützte Sitzplätze vorhanden sind. Der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass auch das Gewerbe immer häufiger mit Lastenvelos unterwegs ist. «Mit dem Lastenvelo sind wir schneller, und die Velos sind auch wirtschaftlicher – keine Versicherung, Benzinkosten oder Bussen», sagt Peter Wruss, Co-Geschäftsführer von Skylla Strom, einem Elektrobetrieb aus dem Kreis 4, zur Zeitung.
Doch das Parkieren von Cargo-Bikes stellt ein Problem dar, denn es gibt kaum extra Abstellplätze. Roger Schaad, Sprecher des Tiefbauamts, meint zwar, dass das Potenzial von Spezialvelos gross sei. «Mit den Velos können Autofahrten kompensiert werden, das ist auch am vermehrten Einsatz von Spezialvelos durch Velokurierdienste zu beobachten», sagt er. Doch die Behörden stellen nur Flächen ohne Anbindungsmöglichkeit zur Verfügung. Laut Schaad besteht so die maximale Flexibilität für Spezialvelos, egal wie lang oder breit sie sind. «Die meisten Lastenvelos haben einen eigenen Veloständer, sodass sie weniger auf Anlehnbügel angewiesen sind.» Für Lastenvelos gelten die gleichen Regeln wie für normale Velos. So dürfen diese auf dem Trottoir abgestellt werden, wenn ein Durchgang von 1,5 Metern frei bleibt.
Pro Velo Zürich sieht beim Angebot von Abstellplätzen noch viel Potenzial. «Lastenvelos sind immer mehr am Kommen, es besteht der Bedarf nach besseren Lösungen», sagt Geschäftsleiterin Yvonne Ehrensberger. Da die Cargo-Bikes länger und breiter seien, würden die regulären Abstellplätze häufig nicht ausreichen. Laut Ehrensberger seien Lastenvelos für den Kinder- und Warentransport eine gute Alternative zum Auto und können dieses auch gut ersetzen. Sie stellt eine brisante Forderung: Cargo-Bikes sollten einfachheitshalber auch auf Autoparkplätze abgestellt werden dürfen.
Diese Forderung wurde bereits im Nationalrat aufs Paket gebracht. Die grüne Nationalrätin Delphine Klopfenstein-Broggini (GE) reichte eine Motion ein, die verlangt, dass Autoparkplätze generell für das Abstellen von Transportvelos genutzt werden dürfen. «Fehlende Parkplätze sind ein Hindernis für eine schnelle Verbreitung der Cargo-Bikes», sagt die Politikerin. Sie beruft sich auf eine europaweite Studie von Cyclelogistics aus dem Jahr 2013, laut der 51 Prozent des motorisierten Verkehrs auf Transportvelos verlagert werden könnten. «Lastenvelos werden immer zahlreicher, das Potenzial ist gross», sagt Klopfenstein. Es sei ein umweltfreundliches Transportmittel, das gerade bei kurzen Distanzen das Auto ersetzen könne, um Waren oder Kinder zu transportieren.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Es sei Aufgabe der Kantone und Gemeinden, Parkierungsflächen für Lastenvelos zu schaffen. Schliesslich wurde die Motion abgeschrieben, da sie nicht innert der Frist von zwei Jahren im Parlament behandelt wurde. Klopfenstein überlegt sich, einen neuen Vorstoss einzureichen. «Es ist ein wichtiges Thema, es geht um die Aufteilung des öffentlichen Raums, insbesondere in dicht besiedelten Städten.» Sie wolle sehen, wie der Bundesrat die Entwicklung des Radverkehrs in die Parkraumbewirtschaftung integrieren will.
SVP-Gemeinderat Stephan Iten findet die Forderung, Autoparkplätze umzunutzen, «absolut unnötig». Lastenvelos könnten auf normalen Veloabstellplätzen abgestellt werden, das würde ausreichen. Das Argument, Cargo-Bikes hätten viel Potenzial, sei eine Ausrede, um noch mehr Autoparkplätze abzuschaffen. Zähle man die Zahl von Autos von Lastenvelos in der Stadt, sei dies nicht verhältnismässig. Iten findet auch, dass Lastenvelos überschätzt werden. «Es ist vollkommen illusorisch zu denken, dass das Gewerbe mit Cargo-Bikes unterwegs ist, es braucht das Auto.»
Der Bund stellt ab 1. Juli ein Piktogramm zur Verfügung, mit dem Parkplätze für Lastenvelos gekennzeichnet werden. Yvonne Ehrensberger von Pro Velo begrüsst die Schaffung des neuen Symbols. «Ich hoffe, dass Zürich dieses Signal verwenden wird, denn es bleibt eine Herausforderung einen Abstellplatz für Lastenvelos zu finden», sagt sie. Roger Schaad vom Tiefbauamt meint, die Stadt habe Kenntnis über das neue Symbol und prüfe derzeit, wo es eingesetzt werden könne. «Wir werden auch künftig Flächen für Spezialvelos bereitstellen wie zum Beispiel in den Velostationen Europaplatz und Stadttunnel.» Aus der Bevölkerung kämen immer wieder Anfragen mit der Forderung, auf blauen oder weissen Autoparkplätzen Veloabstellplätze zu erstellen, damit weniger Velos auf den Trottoirs abgestellt werden müssten. Dies mache die Stadt immer wieder, zum Beispiel in In Böden in Affoltern.
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