Kampf um ein Lebenswerk
Der Imbiss Riviera beim Bellevue soll Ende Jahr schliessen. Die Besitzerfamilie Prati kämpft um ihre Existenz. Politiker machen sich für den Imbiss stark und setzen die Stadt unter Druck. - Von Ginger Hebel
Der Imbiss Riviera beim Bellevue soll Ende Jahr schliessen. Die Besitzerfamilie Prati kämpft um ihre Existenz. Politiker machen sich für den Imbiss stark und setzen die Stadt unter Druck. - Von Ginger Hebel
Gesualda Prati brät Grillwürste im Imbiss Riviera am Utoquai. Es ist für sie viel mehr als nur ein Job. Der Imbiss ist ihr Familienbetrieb. Ein Stück Lebensgeschichte. An der Sonne vor dem Imbissstand trinkt ihr Vater Gaetano einen Kaffee mit Blick auf die Limmat und beobachtet das emsige Treiben am Bellevue. Der Kummer ist dem 81-Jährigen ins Gesicht geschrieben. Denn der Imbiss, den er vor 43 Jahren an bester Lage gründete, soll schliessen. Der Mietvertrag mit der Stadt Zürich läuft per 31. Dezember 2025 aus. «Wir wollen aber nicht aufhören, sondern weitermachen. Einfach nur arbeiten», sagt die Familie Prati.
Auch Zürcher Politiker und Stammkunden möchten den beliebten Imbiss erhalten und mit ihm ein Stück Zürcher Tradition. In einer Petition mit 12 000 Unterschriften kämpfen sie für die Zukunft des Familienbetriebs. Jetzt muss die Stadt ihre Entscheidung überdenken. «Es ist ein schönes, bestärkendes Gefühl, so viel Rückhalt aus der Bevölkerung zu erfahren», sagt Gesualda und legt liebevoll den Arm um die Schulter ihres Vaters. «Die Hoffnung stirbt zuletzt.» Kornel Ringli von Liegenschaften Stadt Zürich sagt auf Anfrage: «Das Geschäft befindet sich derzeit beim Stadtrat. Bis zu seinem Entscheid können wir keine weiteren Auskünfte erteilen.»
Hoffnung stirbt zuletzt
Vor über 60 Jahren kam der Sizilianer Gaetano Prati als Saisonarbeiter nach Zürich. Er arbeitete auf dem Bau, musste sich aber nach einem schweren Unfall umorientieren. Am Zürcher Bellevue übernahm er eine Holzbaracke, verkaufte Snacks und Getränke. Ein Jahr später eröffnete er am selben Ort seinen eigenen Imbiss-Stand namens Riviera. Ein 17 Quadratmeter grosser Kiosk, selbst gebaut, mit Grill und Kühlschränken. Heute führen zwei seiner Kinder sein Lebenswerk. Trotzdem vergeht kaum ein Tag, wo er nicht selber im Imbiss vorbeischaut und mit Stammgästen ein Schwätzchen hält. «Er fühlt sich hier Zuhause», sagt Tochter Gesualda, 39. Ihre Mutter verstarb vor zehn Jahren. Aber die Familie hält zusammen und führt das Geschäft gemeinsam. Stammgäste schätzen die unkomplizierte Atmosphäre und das Bewährte. Die Kalbsbratwurst mit Bürli ist der Renner seit Jahren, genau wie die rassige Salsiccia, ein Rezept der italienischen Grossmutter. Qualität und Hygiene, sagen die Pratis, seien das A und O. Nur ein zufriedener Kunde komme wieder. «Das Auge isst mit.»
Als die Kündigung ins Haus flatterte, sei das ein Schock für die Familie gewesen. Die Begründung: Der Imbiss passe nicht mehr ins Leitbild der Stadt Zürich. Zwar solle es auch künftig Gastronomiebetriebe am Utoquai geben, aber eben nicht diesen Imbiss-Stand, der das Stadtbild seit über vier Jahrzehnten prägt. Stattdessen «fliegende Händler» oder Foodtrucks als Ergänzung zum bestehenden Angebot. Der Imbiss befände sich zu nah am Ufer, sei nicht umwelt- und personalkonform. «Doch was soll das heissen? Wir haben Garderoben für unsere Mitarbeiter, Personal-WCs. Über all die Jahre haben wir immer wieder Neuerungen durchgeführt», sagt Gesualda. Auch jetzt wären sie bereit gewesen, den Imbiss auf eigene Kosten zu erneuern. «Aber wir erhalten keine Möglichkeit dazu, das macht uns traurig.» Immer wieder hätten sie Gespräche mit der Stadt geführt und Lösungen gesucht – vergebens. Die Stadt Zürich betont, dass der Familie bereits vor 15 Jahren mitgeteilt wurde, dass die Baute widerrechtlich ist und die Aufhebung des Mietverhältnisses droht. 2017 wurde ein befristeter Mietvertrag bis Ende 2019 ausgestellt. Dieser wurde 2019 um zwei Jahre verlängert und 2021 um weitere vier Jahre. Nun läuft er per Ende 2025 aus, zeitgleich mit der Konzession des AWEL.
Was Zürcher Politiker aber auch Stammkunden am meisten stört: dass kleine Geschäfte, Familienbetriebe mit Herz, langsam aber sicher aus dem Zürcher Stadtbild verschwinden und verdrängt werden. Einheitsbrei und grosse Ketten statt individueller Geschäfte. In den Augen der Pratis eine ungesunde Entwicklung. «Warum haben günstige, vielfältige und gut erreichbare Angebote in einer Stadt wie Zürich keinen Platz mehr?», fragt sich Gesualda Prati.
Für die Familie bleibt jetzt nur die Hoffnung auf ein gutes Ende, sprich eine Verlängerung des Mietvertrags. Denn für sie ist klar: «Es gibt keinen besseren Standort als diesen. Und keinen zweiten Riviera-Imbiss. Das ist unsere Existenz.»
Der "Riviera-Imbiss" muss bleiben. Er gehört zum Stadtbild. Punkt. Ich drücke der Familie Prati ganzganz fest beide Daumen, dass sie weitermachen können! Wo kann man die Petiton unterschreiben? Direkt am Imbiss?
Daniel Beck antwortenDie Stadt Zürich ist mitlerweile langweiliger einheitsbrei. Ich wohne gerne in der Stadt weil die Stadt sehr gut an die Bahn und über den Flughafen an die Welt angebunden ist. Was schade ist, dass die Stadt ihre Authentizität und Intendität am verlieren ist. Ich hoffe, dass der Imbiss bleibt weil er zur Geschichte der Stadt gehört.
Patrick F. antworten
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