Ein «Velo-Feldzug»?
In Zürich-Wiedikon sorgt eine neue «Züri Velo»-Station für Ärger: Ein Hausarzt und andere Betriebe beklagen fehlende Parkplätze. - Von Jan Strobel
Die vier weissen Parkplätze an der Seebahnstrasse wurden durch eine «Züri Velo»-Station ersetzt. Bild: PD
In Zürich-Wiedikon sorgt eine neue «Züri Velo»-Station für Ärger: Ein Hausarzt und andere Betriebe beklagen fehlende Parkplätze. - Von Jan Strobel
Als Stephan Unger, Arzt an der Seebahnstrasse 31 in Zürich-Wiedikon, an jenem 24. Oktober aus dem Fenster seiner Hausarztpraxis blickt, traut er seinen Augen nicht: «Die vier weissen Autoparkplätze vor dem Haus wurden einfach 'weggefegt' – zugunsten einer Züri Velo-Station.» Dadurch sei ein massives Problem für die Patienten entstanden, welche keine Möglichkeit zum Parkieren in der Nähe ihres Behandlungsorts finden würden. «Gerade letzte Woche musste die Mutter eines erkrankten und gehbehinderten Kindes auf den neu markierten Feldern für Velos das Auto abstellen, damit das Kind überhaupt zu mir in die Praxis zur Behandlung kommen konnte», sagt Stephan Unger. Der Arzt empfindet das Vorgehen der Stadt als «rücksichtslos». Der «Feldzug gegen Autoparkplätze» hinterlasse «Opfer unter der Bevölkerung auf allen Seiten. In unserem Fall sind es die Kranken», so Stephan Unger. «Zum Hausarzt kommen kranke Menschen zum Teil notfallmässig im schlechten Allgemeinzustand. Vielfach müssen die Patienten von den Verwandten oder von der Spitex begleitet werden.» Alle seien Stadtbewohner und Steuerzahler mit einer entweder kurzfristigen oder chronischen Behinderung und könnten weder mit dem Velo noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Behandlung kommen, untersteicht der Hausarzt.
Dieselben Probleme monieren ebenso eine Physiotherapiepraxis und ein Institut für Orthopädie, die sich im selben Haus befinden. «Für meine Kunden ist das absolut ungünstig», so der Inhaber des Orthopädie-Instituts, der nicht mit seinem Namen in der Zeitung erscheinen möchte. «Was mich stört ist, dass wir keinerlei Information zum Parkplatzabbau bekommen haben.»
In der Stadt Zürich bestehe weder ein Rechtsanspruch auf öffentliche Strassenparkplätze noch eine Bestandesgarantie, heisst es beim Tiefbauamt. Hauseigentümer sowie Gewerbetreibende seien grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, Parkplätze für Bewohnerinnen und Bewohner sowie für Beschäftigte und Besuchende auf ihren Grundstücken zu errichten. Dies sei auch vom Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich so vorgesehen. Die Umnutzung von Parkplätzen für «Züri Velo»-Stationen erfolge punktuell und auf öffentlichen Parkfeldern. «Aus diesem Grund wurde die Parkplatzaufhebung wie üblich im Amtsblatt publiziert, und es erfolgt keine separate Information an einzelne Liegenschaften.»
Seit Mai 2025 baut die Stadt das Veloverleihsystem «Züri Velo» aus. Die Anzahl Stationen soll von 150 auf 250 steigen und gleichzeitig die Flotte um 1000 Velos auf insgesamt 2500 erweitert werden. Die neuen und die bestehenden Stationen werden dabei prioritär auf der Fahrbahn und nicht auf dem Trottoir oder öffentlichen Plätzen eingerichtet, um Fussgängerinnen und Fussgänger und insbesondere seh- oder mobilitätseingeschränkte Personen nicht zu beeinträchtigen, so das Tiefbauamt. «Die Züri Velos benötigen für das technische Handling eine eigene Station, damit das Ausleihen und die Rückgabe der Velos per GPS funktionieren. Daher können sie nicht auf allgemeinen Veloabstellplätzen parkiert werden.»
In der unmittelbaren Umgebung der Liegenschaft stünden überdies «viele blaue und weisse Parkplätze zur Verfügung», macht das Tiefbauamt deutlich. «Zum Beispiel sind entlang der Gerhardstrasse, in der sich die andere Gebäudeseite der Hausnummer 31 befindet, vier weisse und sieben blaue Parkplätze verfügbar. Zusätzlich stehen auch rund 90 Meter von der Liegenschaft entfernt vor dem Postgebäude in der Seebahnstrasse acht Parkplätze zur Verfügung, inklusive eines Behindertenparkplatzes.»
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