«Die Altstadt gehört zusammen»: Felix Stocker, Präsident Quartierverein Zürich 1 rechts der Limmat. Bild: Jan Strobel
09.04.2025 10:12
Sprachrohr für die Zürcher Altstadt
Die Zürcher Altstadt ist nicht nur das Herz der Stadt. Sie ist ein sensibler und gewachsener Lebens- und Wohnraum. Diesen zu erhalten und nachhaltig in die Zukunft zu führen, hat sich Felix Stocker, Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat, auf die Fahnen geschrieben. - Von Jan Strobel
Für ihn ist die Zürcher Altstadt ein festgefügtes Ganzes, egal ob rechts oder links der Limmat – Felix Stocker ist Präsident des Quartiervereins Zürich 1 rechts der Limmat. Und sein Credo wurde an der jüngsten Generalversammlung des Quartiervereins bestätigt: Neu können Bewohnerinnen und Bewohner des gesamten Kreis 1 – also auch von der anderen Seite der Limmat – Mitglied werden. «Die Altstadt», sagt Felix Stocker, «gehört zusammen.» Der 40-Jährige Familienvater, Mathematiker und ehemalige SP-Gemeinderat arbeitet heute als Sekretär der SP-Kantonsratsfraktion. Mit etwas Glück kann man ihn an einem schönen Sommerabend mit seinem Klavier an der Seepromenade antreffen.
Zusammenhalt gefährdet
Etwas weniger erfreulich läuft es für seinen Quartierverein beim Thema Nummer eins im Quartier: dem Wohnen. 2019 setzte die Stadt die revidierte Vermietungsverordnung um. Mit dieser wurde ein Zufallsgenerator eingeführt, der aus allen Angemeldeten eine zufällige Auswahl trifft. Nur wer es durch den Zufallsgenerator schafft, darf sich auf die Wohnung bewerben. «Die Altstadt hat einen hohen Anteil an städtischen Wohnungen. Diese sind, da es sonst kaum bezahlbaren Wohnraum gibt, entscheidend für das Quartierleben», sagt Felix Stocker. Besonders junge Familien würden durch die neue Verordnung aus dem Quartier verdrängt. «Mehrere Familien mit Zuwachs sind bereits weggezogen. Sie hatten wegen des neuen Zufallsgenerators praktisch keine Chance, eine passende Wohnung zu finden. Die Bevölkerungsstruktur im Quartier und der Zusammenhalt nehmen dadurch Schaden. Das macht mir Sorgen.» Dabei seien es genau diese Menschen – und kaum die Leute in den Zweitwohnungen – die das Leben in der Altstadt entscheidend mitgestalten, macht Felix Stocker deutlich.
Einen Namen machte sich Felix Stocker auch als engagierter Verfechter der Wohnquartiere der Innenstadt. 2019 kündigte die Stadt ihr Pilotprojekt der «Mediterranen Nächte» an. Für den Quartierverein war das Projekt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Nachtlärm und die Übernutzung des öffentlichen Raums, akustisch untermalt vom Röhren der Autoposer, nahmen für viele ein derartiges Ausmass an, dass immer mehr Menschen die Innenstadt-Quartiere gefährdet sahen.
Der Verein gründete gemeinsam mit weiteren Quartiervereinen und Interessengemeinschaften die Gruppe «Innenstadt als Wohnquartier» und ging auf die Barrikaden. Unterstützt von über 50 Quartierbewohnerinnen und -bewohnern legte die Gruppe Einsprache gegen verlängerte Öffnungszeiten für Aussenwirtschaften während der Sommermonate ein. Vordergründig blieb der Widerstand erfolglos – nach zwei Pilotversuchen wurden die «Mediterranen Nächte» 2024 definitiv jeweils während der Schulferien im Sommer eingeführt.
Gleichwohl habe der Widerstand Wirkung gezeigt und einen Impuls gesetzt im Umgang mit dem Lärmproblem, ist Felix Stocker überzeugt. «Ich glaube, das Thema ist im Bewusstsein der Politik angekommen», sagt er. Er sehe sich immer wieder mit folgender Aussage konfrontiert: Wenn ihr schon in der Innenstadt wohnen wollt, müsst ihr auch den Lärm aushalten können. «Damit bin ich völlig einverstanden», sagt er. «Mir ist klar, dass das Nachtleben zur Innenstadt gehört. Die Belastung muss jedoch so in Grenzen gehalten werden, dass auch sensiblere Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen oder Familien mit Kindern weiterhin im Quartier leben können. Es braucht einvernehmliche Lösungen für alle Seiten und ein erträgliches Mass.»
Dass in Zürichs Innenstadt überhaupt noch richtige Wohnquartiere bestehen, sei keineswegs selbstverständlich, so Felix Stocker. «Es gibt Städte, in denen die Innenstädte längst zu entvölkerten Geschäftszentren geworden sind.» Die Gruppe Innenstadt als Wohnquartier lancierte die Online-Plattform laermgruppe.ch, auf welcher Anwohnerinnen und Anwohner Lärmimmissionen und andere Störungen melden können. «Diese Plattform könnte von der Stadt übernommen werden. Es wäre ein ähnlicher Online-Dienst wie ‹Zürich schaut hin› oder ‹Züri wie neu›», unterstreicht Felix Stocker.
Der grösste Erfolg
Neben der Lärmdebatte setzt sich der Quartierverein auch für eine quartierfreundliche Gestaltung des öffentlichen Raums ein: Bereits seit den 1950er-Jahren besteht die Forderung, den Zähringerplatz in einen Quartierplatz umzuwandeln. Aktuell ist der prominente Platz vor der Predigerkirche und der Zentralbibliothek mit Baucontainern zugestellt. In der Altstadt werden umfassende Werkleitungssanierungen durchgeführt. «Die Bauarbeiten werden noch bis 2028 dauern», sagt Felix Stocker. «Das ist belastend. Gleichzeitig haben wir dafür Verständnis. Die Infrastruktur muss schliesslich unterhalten werden. Und die Stadt kommuniziert aktiv mit dem Quartierverein und der Quartierbevölkerung. Ich spüre, dass sie ernsthaft bemüht ist, die Belastung so gering wie möglich zu halten.» Dem Quartierverein geht es nicht um die Baucontainer als notwendiges Übel; vielmehr setzt er sich bei der Stadt für eine Neugestaltung des gesamten Platzes nach Abschluss der Bauarbeiten ein. Noch bevor die Container kamen, wurden die ersten Parkplätze auf dem Zähringerplatz aufgehoben. «Das ist richtungsweisend für die Zukunft des Platzes als freier Raum fürs Quartier. Wir stehen noch am Anfang des Prozesses. Aber dass wir das erreicht haben, ist unser grösster Erfolg als Quartierverein in jüngster Zeit», betont Felix Stocker.
Weitere Informationen:
www.quartierverein-zuerich1.ch