Neubeginn einer Institution
Das alteingesessene Eisenwarengeschäft Blattner verlor letztes Jahr sein Ladenlokal an der Seefeldstrasse. Inzwischen ist ein Neustart in nächster Nähe gelungen. - Von Christian Felix
Fand in kurzer Zeit ein Ersatzlokal: Taner Ankara, Verkaufsleiter der Eisenwarenhandlung Blattner. Bild: Christian Felix
Das alteingesessene Eisenwarengeschäft Blattner verlor letztes Jahr sein Ladenlokal an der Seefeldstrasse. Inzwischen ist ein Neustart in nächster Nähe gelungen. - Von Christian Felix
Im Zug von München nach Zürich: Zwei Frauen sprechen über die Eisenwarenhandlung Blattner. Sie bedauern, dass es das Geschäft in der Zürcher Seefeldstrasse nicht mehr gibt. Der Sitznachbar der beiden mischt sich ein: Doch, Eisen-Blattner sei nur umgezogen, in die Kreuzstrasse, und existiere weiter. Der Fahrgast, der die beiden Frauen aufklärt, ist Taner Ankara, zufällig der Verkaufsleiter bei Blattner. Seine Nachricht dürfte nicht nur die beiden Frauen erleichtert haben, sondern ziemlich viele Menschen im Seefeldquartier und in der weiteren Umgebung.
Als Beispiel folgende Erfahrung: Der WC-Spülkasten funktioniert nicht mehr. Deckel auf – es zeigte sich, dass eine kleine Schraube mit Schraubenmutter zerbrochen ist. Also auf zu Blattner. Der Angestellte ging ungerührt zu einem Schächtelchen, nahm etwas heraus und packte das Gesuchte in ein Papiersäckchen. Im alten Geschäft an der Seefeldstrasse lagen viele der so nützlichen kleinen Teile noch in Kartonschachteln. «Eine solche Schachtel enthielt ein Gros Schrauben. Früher mass man viele Dinge noch im Dutzend. Ein Gros war zwölfmal ein Dutzend, also 144 Stück», sagt Taner Ankara.
Die Schrauben von Blattner sind für viele Quartierbewohner mit einer besonderen Erinnerung verbunden. Die Abteilung dafür befand sich im alten Geschäft im zweiten Untergeschoss. Dorthin führte nur ein alter Aufzug. «Manche Personen aus unserer Kundschaft wagten es nicht, den Lift zu benutzen, aus Angst, stecken zu bleiben», sagt Ankara. Ein Senior habe einmal ein bis zwei Stunden im Aufzug ausharren müssen, weil der Servicemechaniker im Stau steckte. «Auch für die Mitarbeitenden war es belastend, zwanzig Meter unter Tage zu arbeiten. An unserem neuen Ort an der Kreuzstrasse findet man jetzt alles auf einem Stockwerk».
Die Eisenwarenhandlung wurde 1934 in der Seefeldstrasse 17 eröffnet. Der Gründer damals hiess Spörri. Verwandte von Spörri übernahmen später das Geschäft. Der grösste Teil der Kundschaft spricht von «Eisen-Meyer», nach dem zweiten Geschäftsinhaber. Seit zehn Jahren führen ehemalige Mitarbeiter von Blattner die Eisenwarenhandlung. Einen weiteren Namenswechsel liessen sie aber bleiben. Als Erinnerung an früher prangt die alte englische Inschrift aus der Seefeldstrasse an einer Wand im neuen Geschäft: «Iron Meyer».
Dem Umzug von Eisen-Blattner war ein Streit mit dem Vermieter vorausgegangen. Das Gebäude an der Seefeldstrasse 17 gehört noch immer der Familie Spörri. Über die Generationen hinweg ist jedoch der Bezug der Gründerfamilie zum Eisenwarengeschäft verloren gegangen. Ende 2023 kündigten die Liegenschaftsbesitzer den Mietvertrag für den Laden. «Eisen-Blattner schliesst», lautete die Schlagzeile in den Medien. Kaum jemand traute es den Geschäftsinhabern zu, in kurzer Zeit ein Ersatzlokal zu finden. Doch es gelang. Damit waren aber noch nicht alle Probleme vom Tisch: «Stellen Sie sich vor, wie aufwendig der Umzug war, mit allen Schrauben, Schraubenziehern, Haken, Nägel, Zangen, Hämmern, Bohrer und dazu das gesamte Sortiment für den Haushalt», sagt Taner Ankara. Dabei wurden die traditionellen Kartonschächtelchen entsorgt. Das Gros als Masseinheit hat ausgedient. Mindestens bei Eisen-Blattner. Verändert hat sich auch die Kundschaft. «Handwerker kommen immer seltener ins Geschäft. Dies, weil es in der Stadt kaum mehr Handwerksbetriebe gibt», sagt Ankara. «Heute sind 95 Prozent der Kundschaft Privatpersonen.»
Natürlich könne man mit Schrauben nicht gross Geld verdienen, meint Ankara. Der Onlinehandel habe auch bei Blattner das Verkaufsverhalten verändert. «Heute spricht man von einer hybriden Kundschaft. Wer etwas braucht, informiert sich zuerst oft auf dem Online-Portal des Geschäfts über die Artikel und kauft sie dann im Laden.» Das umgekehrte komme aber auch immer wieder vor: Besichtigung im Laden und danach billiger einkaufen bei einem grossen Onlineanbieter. Einem lokalen Geschäft wie Blattner fehle die «Marktmacht», um bei den Produzenten die Preise zu drücken.
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